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Kurzchronik

Ein Überblick der Ereignisse

Die Lebensläufe von Karl Friedrich Stellbrink, Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller sind unter der Rubrik Porträts abrufbar. Diese Übersicht betrifft die gemeinsame Zeit in Lübeck bis zu ihrem Tod sowie das Gedenken in Laufe der letzten Jahrzehnte.

1934

  • 1. Juni 1934: Pastor Karl Friedrich Stellbrink tritt seine Pfarrstelle an der Lutherkirche in Lübeck an.

1939

  • 25. März 1939: Johannes Prassek wird Kaplan (Vikar) an Herz Jesu, später Erster Kaplan.
  • 1. Juni 1939: Hermann Lange wird Kaplan (Adjunkt) an Herz Jesu in Lübeck, ein Jahr später Vikar.

1940

  • 27. August 1940: Eduard Müller wird Kaplan (Adjunkt) in Herz Jesu.

1941

  • Sommer 1941: Die drei Kapläne und Pastor Stellbrink lernen sich kennen und schätzen. Sie tauschen Predigttexte des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, aus und Informationen ausländischer Rundfunksender. Es entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis. Zugleich schleust die Gestapo einen Spitzel ins katholische Pfarrhaus ein.
  • 12. Juni 1941: Pastor Karl Friedrich Stellbrink besucht die Heilige Messe in Herz Jesu am Fronleichnamsfest und zeigt sich begeistert.

1942

  • 9. März 1942: Pastor Stellbrink sieht auf dem Vorwerker Friedhof nach der Beerdigung einer Nazigröße, dass während der Trauerfeier das Kreuz mit einem Mantel verhängt wurde. Er ist schockiert, dass Christus auf diese Weise verleugnet wird.
  • 29. März 1942: Pastor Stellbrink predigt in der Lutherkirche am Tag nach der Bombardierung Lübecks, bei der große Teile der Stadt zerstört wurden: „Gott hat mit mächtiger Sprache geredet. Die Lübecker werden wieder lernen zu beten.“
  • 3. April 1942: Der Kirchenrat wird durch die Gestapo von Stellbrinks Äußerungen informiert. Stellbrink wird seines Dienstes enthoben und die Kirchenleitung leitet ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein.
  • 7. April 1942: Pastor Stellbrink wird in Schutzhaft genommen und ins Lauerhofgefängnis gebracht.
  • 15. Mai 1942: Kaplan Prassek wird das Luftschutzehrenzeichen verliehen, weil er in der Bombennacht Patienten aus dem Marienkrankenhaus rettete.
  • 28. Mai 1942: Die Gestapo durchsucht das Pfarrhaus von Herz-Jesu. Johannes Prassek wird verhaftet und im Burgkloster inhaftiert.
  • 15. Juni 1942: Vikar Lange wird verhaftet und ins Lauerhofgefängnis gebracht.
  • 22. Juni 1942: Adjunkt Müller wird verhaftet und ins Gefängnis im Burgkloster gebracht.
  • 31. Juli 1942: Ebenso verhaftet werden 18 Laien, die an den Gruppenabenden der Kapläne teilgenommen haben, unter ihnen auch die Pfarrangestellten Adolf Ehrtmann und Robert Köster.
  • 16. Oktober 1942: Matthias Köhler, einer der mitgefangenen Laien, wird vorzeitig aus der Haft entlassen, das Verfahren später eingestellt.
  • 19. November 1942: Überraschenderweise wird Wilhelm Wirth, einer der mitgefangenen Laien, aus der Haft entlassen.

1943

  • März 1943: Bischof Berning in Osnabrück erfragt im Generalvikariat Münster, wie die Fälle von Strafverfolgungen wegen der Verbreitung von Predigten des Münsteraner Bischofs Graf von Galen bisher gelagert sind, um durch Präzedenzfälle eine Entlastung der Kapläne zu erreichen.
  • 2. April 1943: Verteidiger Dr. Rudolf Dix schreibt Bischof Berning, es sei praktisch unerheblich, welche Präzedenzfälle es gebe, außerdem wögen die weiteren Anklagepunkte schwer genug.
  • 5. April 1943: Die Anklageschriften erreichen die Verteidigung, darin sind die Galen-Predigten überhaupt nicht erwähnt. Offenbar hat Hitler selbst die Streichung jener Passagen angeordnet. Übrig bleibt ein Text, der einige Brüche in der Logik und Holprigkeiten im Satzbau enthält.
  • 17. April 1943: Die Gefangenen werden vorübergehend ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis nach Hamburg gebracht.
  • 18. Mai 1943: Prassek befindet sich laut eines Briefes in der Hamburger Strafanstalt Fuhlsbüttel.
  • 18. Juni 1943: Zu Prozessbeginn werden die Gefangenen wieder nach Lübeck verlegt.
  • 22. Juni 1943: Beginn des gemeinsamen Prozesses gegen die Geistlichen und 16 Laien vor dem Volksgerichtshof in Lübeck. Der erste Verhandlungstag beginnt mit der Vernehmung der Angeklagten und Zeugen.
  • 23. Juni 1943: Der Senat des Volksgerichtshofes in Lübeck unter Vorsitz von Wilhelm Crohne verurteilt die vier Lübecker Geistlichen zum Tode. Vormittags findet die Verhandlung gegen Stellbrink statt. Das Gerichtsurteil über Stellbrink tadelt, dass sich Stellbrink „als evangelischer Geistlicher nicht gescheut hat, sich mit einem Vertreter der den Prostestantismus bekämpfenden katholischen Kirche im Kampf gegen den Staat zusammenzutun“ und erkennt so indirekt die ökumenische Dimension des Geschehens an. Nachmittags wird gegen die Kapläne, Adolf Ehrtmann und Robert Köster verhandelt. Die Kapläne werden zum Tode verurteilt, Ehrtmann zu fünf Jahren Haft, Köster zu einem Jahr.
  • 24. Juni 1943: Drei Laien werden freigesprochen. Die übrigen Laien bekommen Haftstrafen zwischen drei und zwölf Monaten, die durch die Untersuchungshaft bereits abgegolten sind, lediglich einer von ihnen muss weitere drei Monate absitzen. 
  • 27. Juni 1943: Gnadengesuch durch den Osnabrücker Bischof Berning für die Kapläne.
  • 29. Juni 1943: Im Gefängnis werden Fotos der Verurteilten angefertigt, die sie nach langer Untersuchungshaft und den Strapazen des Prozesses abgemagert und krank zeigen. Die Bilder sollen die Geistlichen als Verbrecher darstellen und Propagandazwecken dienen. Auf dieser Website verwenden wir die Bilder bewusst nicht.
  • 27. Juli 1943: Hildegard Stellbrink sendet ein Gnadengesuch für ihren Mann an Adolf Hitler.
  • 7. Juli 1943: Joseph Goebbels schreibt in sein Tagebuch, er dränge darauf, dass die Todesurteile auch tatsächlich vollstreckt würden.
  • 9. Juli 1943: Die Lübecker Pastorenschaft sendet ein Gnadengesuch an den Reichsjustizminister Otto Thierack, in dem sie den Verurteilten psychisch beeinträchtigt darstellt. Vom Kirchenrat wird das Gesuch nicht unterstützt.
  • 14. August 1943: Die Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin stellt ein Gnadengesuch für Stellbrink.
  • 28. August 1943: Chefankläger und Oberreichsanwalt Ernst Lautz empfiehlt in einer Vorlage dem Reichsjustizminister, das Gnadengesuch für Pastor Stellbrink abzulehnen: „Ich halte vielmehr die Todesstrafe für die allein schuldangemessene, überdies auch zur Abschreckung anderer gebotene Sühne und schlage deshalb vor, von dem Gnadenrecht keinen Gebrauch zu machen.“
  • 18. Oktober 1943: Referent Schmidt im Reichjustizministerium hält in einem Gutachten das Urteil für mangelhaft, da es auf mangelhaften Zeugenvernehmungen beruhe und weitere Ungereimtheiten enthalte.
  • 25. Oktober 1943: Reichsjustizminister Otto Thierack beschließt mit Ermächtigung Hitlers, vom Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen, was bis zur Urteilsvollstreckung als „Geheim“ eingestuft wird.
  • 3. November 1943: Der Berliner Bischof Graf von Preysing erfährt über geheime Kontakte aus dem Reichsjustizministerium, dass die Gnadengesuche Bischof Bernings abgelehnt werden. Er informiert Papst Pius XII. darüber.
  • 5. November 1943: Papst Pius XII. sendet ein Telegramm vom Kardinalstaatssekretär aus Rom zum Päpstlichen Nuntius in Berlin mit der der Abweisung, sich für die Aufhebung der Todesstrafe einzusetzen.
  • 10. November 1943: Nuntius Cesare Orsenigo versucht, bei Bischof Berning nähere Einzelheiten zu erfahren.
  • 10. November 1943: Im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis werden Eduard Müller, Johannes Prassek, Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink im Abstand von je drei Minuten durch das Fallbeil getötet. In den Zeitungen erscheint darüber keine Zeile.
  • 12. November 1943: Nuntius Cesare Orsenigo spricht im Auftrag des Papstes im Auswärtigen Amt wegen einer Begnadigung vor. Er weiß nicht, dass das Urteil zu diesem Zeitpunkt bereits vollstreckt war.
  • Gelände der ehemaligen Lagergärtnerei Neuengamme © Fiebig15. November 1943: Die Leichen von Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink werden in Hamburg im Ohlsdorfer Krematorium eingeäschert und später in der Krypta der Herz-Jesu-Kirche bzw. in der Lutherkirche beigesetzt. Die Leichen von Johannes Prassek und Eduard Müller werden im Krematorium des KZ Neuengamme eingeäschert, die Asche wird in der dortigen Lagergärtnerei verstreut.
  • 22. November 1943: Im Kirchlichen Amtsblatt für die Diözese Osnabrück werden die drei Kapläne in der Rubik Todesfälle genannt, die Veröffentlichung von Todesumständen und Todesort war untersagt.

1944

  • 10. November 1944: Heimlich wird in der Krypta der Herz-Jesu-Kirche ein Gottesdient im Gedenken an die Märtyrer und ihren einjährigen Todestag gefeiert. Die mitgefangenen Laien, deren Angehörige und weitere Gemeindemitglieder informieren sich gegenseitig über die Gedenkmesse, an eine öffentliche Ankündigung ist nicht zu denken.

1945

  • 10. November 1945: Nach dem Kriege kann die Pfarrei Herz Jesu öffentlich einladen, der zweite Todestag wird mit einem Gedenkgottesdienst begangen, am Tage darauf schließt sich eine Gedenkveranstaltung im Gesellenhaus an.
  • Ab diesem Zeitpunkt findet in Herz Jesu jährlich am Todestag zur Todesstunde um 18 Uhr ein Gottesdienst zum Gedenken statt.

1946

  • Josef Schäfer SJ veröffentlicht ein Buch unter dem Titel „Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich“, das an die vier Märtyrer erinnert und für das er sich das Papier bei der britischen Militärverwaltung zusammengebettelt hat.

1949

  • 10. November 1949: Die Urne Karl Friedrich Stellbrinks wird vom Ohlsdorfer Friedhof in die Lutherkirche überführt.

1955

  • 6. Juni 1955: Anlässlich des Bistumsjugendtreffens über Pfingsten in Lübeck wird die Krypta als Gottesdienst- und Gedenkraum umgestaltet. Der Altar und das Kreuz stammen von Hans Dinnendahl aus Telgte und wurden von der männlichen Jugend des Bistums Osnabrück gestiftet.

1956

  • 1956: Die die Urne mit der Asche von Hermann Lange wird in die Krypta der Herz-Jesu-Kirche überführt. Sie erhält ihren Ort unter einer Bronzeplastik des Künstlers Hans Dinnendahl, die Christus vor Pilatus zeigt.

1958

  • 1. Dezember 1958: Die Pfarrkirche Herz Jesu in Lübeck wird zu Ehren der Kapläne zur Propstei erhoben, der jeweils amtierende Pfarrer erhält den Titel Propst.

1961

  • 1961: Der Text des Martyrologiums von Gisela Maria Thoemmes wird in der Krypta auf Steintafeln angebracht.

1963

  • 8. November 1963: In der Lübecker Katharinen-Kirche feiern aus Anlass des 20. Todestages der Märtyrer 1000 Christen einen ökumenischen Gottesdienst. Er ist die Startzündung für die ökumenische Zusammenarbeit in den kommenden Jahren.

1983

  • 1983: Der Lübecker „Arbeitskreis 10. November“ formiert sich aus ehemaligen Mitgefangenen, deren Angehörigen und weiteren mit den Lübecker Märtyrern verbundenen Menschen.
  • 10. November 1983: Zum 40. Jahresgedenken organisiert der neugegründete Arbeitskreis eine Ausstellung im Lübecker Dom.

1993

  • 24. Juni 1993: Die Nordelbische Lutherische Landeskirche veröffentlicht eine Erklärung zur Rehabilitation und Würdigung des Märtyrers Karl Friedrich Stellbrink.
  • 5. November 1993: Die 17. Strafkammer des Landgerichts Berlin hebt das Todesurteil gegen Pastor Karl Friedrich Stellbrink auf.
  • 8. November 1993: Im Lübecker Kulturforum Burgkloster wird die Ausstellung „Lösch mir die Augen aus...“ über die Märtyrer eröffnet.

2000

  • 10. November 2000: Der Arbeitskreis 10. November legt am Mahnmal für die Opfer des Nazi-Regimes einen Kranz nieder, dies geschieht seitdem jedes Jahr. 

2003

  • 16. November 2003: Der ökumenische Gedenkgottesdienst in Hamburg findet erstmals im Kleinen Michel statt. Die Hinrichtungsstätte am Holstenglacis liegt auf dem Gemeindegebiet der Innenstadtkirche.

 

zur Chronik des Seligsprechungsverfahrens


Text: Sebastian Fiebig

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Herz-Jesu-Kirche in Lübeck © Fiebig
Telegramm Anwalt Dix' an Bischof Berning