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Karl Friedrich Stellbrink

Lebenslauf in Stichworten

1894

  • 28. Oktober 1894: Karl Friedrich Stellbrink kommt im katholisch geprägten Münster zur Welt. Sein Vater, der Oberzollsekretär Carl Stellbrink, hatte nach dem Tod seiner ersten Frau vier Jahre zuvor nochmals geheiratet, und zwar Helene Kirchhoff, die Tochter eines Bauunternehmers. Aus der ersten Ehe brachte der junge Witwer zwei Kinder mit, Heinrich und Hilda, mit seiner zweiten Frau hatte vier weitere, nämlich Helene, Irmgard, Karl Friedrich und Magda.

1900

  • Der junge Fritz wird in die evangelische Volksschule in Münster eingeschult. 
  • Der Halbbruder Heinrich stirbt als Schiffsjunge mit 19 Jahren in einem Sturm auf dem Pazifik. Sein Vater zieht sich in die Schriftstellerei zurück, bleibt aber erfolglos.

1902

  • Die Familie baut und zieht ins protestantische Detmold um, dort wohnen die Eltern mit fünf Kindern in der Hubertusstraße 10. Die älteste Halbschwester war schon in der Ausbildung.
  • Karl Friedrich Stellbrink besucht die Volksschule in Detmold.

1904

  • Ostern 1904: Einschulung ins Fürstliche Gymnasium zu Detmold. Stellbrink ist künstlerisch talentiert, er malt hunderte von Aquarell-Ansichtskarten, Landschaftsbildern und Portraits. Nicht in allen Fächern kann er das gleiche Talent aufweisen.

1911

  • 3. April 1911: Stellbrink bleibt mehrfach sitzen und verlässt das Gymnasium Ostern 1911 in der Obertertia, das entspricht der heutigen neunten Klasse mit fünfmal „mangelhaft“ im Zeugnis und einmal „sehr gut“– in Zeichnen. Offenbar will er die Kunstakademie in Düsseldorf besuchen, wird dort aber nicht angenommen, vermutlich ist er zu jung.
  • 9. April 1911: Konfirmation in Detmold.
  • 19. April 1911: Stellbrink zieht in ein nationalprotestantisches Internat, in das evangelische Johannesstift in Berlin-Spandau. Unter anderem steht „Kriegsspielen“ auf dem Stundenplan, doch der etwas verschlossene 16-Jährige interessiert sich mehr für die Natur.

1913

  • Ostern 1913: Stellbrink beginnt seine Ausbildung zum Auslandsprediger im Diasporaseminar in Soest. Eine Handvoll junger Männer wurde hier, in Kooperation mit Soester Pfarrern, theologisch für einen Einsatz als Auslandsgeistlicher für Deutsche in Brasilien vorbereitet. Das Ziel war eher, das Deutschtum in Brasilien zu pflegen als christlich zu missionieren.

1914

  • 1. August 1914: Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedingt schloss das Seminar, noch vor dem Abschluss der Ausbildung von Stellbrink.

1915 

  • Februar 1915: Einberufung Stellbrinks zum Heer. Seinen Dienst im Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment No. 1 in Berlin kann er wegen einer Diphterie nicht ausüben, er wird in verschiedene Lazarette verlegt.

1916

  • September 1916: Stellbrink wechselt ins Königin-Auguste-Garde-Grenadier-Regiment No. 4 und wird an der Westfront in Nordfrankreich eingesetzt.

1917

  • 14. Januar 1917: Schwere Verwundung im Krieg an der Somme 50 km östlich von Amiens durch einen Schuss in den linken Arm durch ein Teilmantelgeschoss, das durch die Haager Landkriegsordnung verboten war.
  • September 1917: Wiederhergestellt, aber bleibend kriegsbeschädigt, verlässt Stellbrink das Heer.
  • Er zieht in die Charitestraße 2 in Berlin, eine Wohnung des Kinderrettungsvereins der Inneren Mission. Nebenbei belegte er einige Vorlesungen an der Universität und ist nebenamtlich in einer Kirchengemeinde in der Jugendarbeit tätig.

1918

  • September 1918: Stellbrink beginnt einen Kurs am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in der Berliner Kochstraße, um sein Abitur nachzuholen.

1919

  • 31. März 1919: Stellbrink legt die Abiturprüfungen ab.
  • Stellbrink kehrt nach Soest zurück und bezieht erneut das nun wiedereröffnete Diasporaseminar, um das letzte Ausbildungsjahr zu durchlaufen. Dabei radikalisiert sich Stellbrink und tritt einigen völkisch-nationalen Vereinen bei, unter anderem wird er Kreisverbandsvorsitzender des „Deutsch-Nationalen Jugendbundes“ DNJ und Mitglied im „Alldeutschen Verband“.
  • Ostern 1919: Stellbrink verlobt sich offiziell mit Hildegard Dieckmeyer aus Detmold, während sie zuvor „still verlobt“ waren. Seine Verlobungsanzeige schmückt ein Hakenkreuz, damals als germanisch-völkisch-nationales Zeichen, das erst ein Jahr später zum Parteizeichen der NSDAP wurde.

1920

  • Einjähriges Vikariat in Barka bei Porta Westfalica. Stellbrink gründet mit drei Kollegen den „Heliand-Orden“, um eine einige, starke Volkskirche zu fördern. 

1921

  • 5. März 1921: Hochzeit von Karl Friedrich und Hildegard Stellbrink.
  • 16. März 1921: Ordination Stellbrinks „für das geistliche Amt des überseeischen Auslandsdienstes der evangelischen Landeskirche Preußens“ in der Johannis-Kirche in Witten (Ruhr), vollzogen durch den Referenten des Evangelischen Oberkirchenrats, Geh. Oberkonsistorialrat Rahlwes.
  • 20. April 1921: Schiffsabfahrt Richtung Brasilien mit dem Dampfer Argentina. Es beginnt eine Zeit, die den Stellbrinks viel abverlangt, die aber auch rückblickend von ihnen als glücklich empfunden wird. Zunächst wohnt das Ehepaar im maroden Pfarrhaus von Arroio do Padre im äußersten Süden Brasiliens.

1922

  • Stellbrinks Sohn Gerhard wird geboren.
  • Die Schwiegereltern, die in der Inflation ihr Vermögen verloren, ziehen zur jungen Familie und helfen im Haushalt und auf dem Feld.
  • Stellbrink radikalisiert sich in zunehmendem Maße. Stereotype Vorurteile gegen Juden und Katholiken finden sich in zahlreichen Briefen und Schriften. Der Alltag ist dagegen hart und holt die Familie immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

1923

  • 10. September 1923: Stellbrinks Tochter Gisela wird geboren und stirbt am 29. April 1924.

1925

  • Umzug in eine neue Gemeinde in Linha Schwerin, ebenfalls im Süden Brasiliens.
  • Eine Tochter kommt zur Welt und wird ebenfalls Gisela genannt.

1928

  • 7. Januar 1928: Stellbrinks jüngste Tochter Waltraut wird geboren

1929

  • 29. März 1929: Die Familie kehrt mit den Schwiegereltern zurück nach Deutschland. Der Strapazen und Entbehrungen in Brasilien waren viele, und eine Zeit der Erholung sollte anstehen. Noch war nicht festgelegt, ob eine Rückkehr nach Südamerika stattfinden soll.
  • 15. September 1929: Die Familie entscheidet sich gegen eine Rückkehr nach Brasilien und Stellbrink tritt eine Stelle in der Thüringischen Evangelischen Kirche an, in Steinsdorf bei Gera. Dort bleibt die Familie bis 1934.
  • 25. Oktober 1929: Der Schwarze Freitag leitet die Weltwirtschaftskrise ein, die Arbeitslosenzahlen steigen dramatisch an.
  • Im Pfarrbrief „Heimatglocken“ schlägt Stellbrink deutschnationale Töne an und kommentiert sarkastisch die ständig neuen Wahlen.

1930

  • März 1930: Stellbrink besteht ein Kolloquium, das sein fehlendes theologisches Examen ersetzt.
  • 8. Mai 1930: Stellbrinks Vater Carl stirbt. In den letzten Jahren hat sich Karl Friedrich Stellbrink von seinen Eltern entfremdet. Kurze Zeit später nimmt Stellbrink zwei Kinder seiner in eine Anstalt eingewiesenen Schwester Irmgard in die Familie auf.

1933

  • Februar 1933: Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 kommmentiert Stellbrink im Pfarrbrief eine Woche später so: „...endlich steht klar und deutlich das Nationale, das heißt das Volks-Freundliche, dem Internationalen, das heißt dem Volks-Feindlichen gegenüber.“ Der Katholizismus und die Zentrumspartei müssen hier als international gedacht werden, weil Rom verbunden.
  • 1. Mai 1933: Stellbrink tritt in die NSDAP ein. Er wird Leiter der Ortsgruppe Steinsdorf der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt NSV. Bereits ein halbes Jahr später kommt es zu ersten Konflikten mit der Partei.

1934

  • 22. April 1934: Stellbrink legt aus Protest alle Parteiämter nieder, seine Frau und das Hausmädchen tun es ebenso.
  • Stellbrink bewirbt sich um eine Stelle in der Evangelisch-lutherischen Kirche im Lübeckischen Staate. Dort wird Pfarrer und NSDAP-Mitglied Erwin Balzer zum Bischof berufen, Stellbrink erhält die Pfarrstelle der Lübecker Lutherkirche. Rasch gelingt es Bischof Balzer, die Mehrzahl der Pfarrstellen mit linientreuen Deutschen Christen zu besetzen.
  • 25. September 1934: In der Marienkirche in Lübeck hält Stellbrink die recht "völkische" Hauptpredigt beim "Festtag der deutschen Schule", einer inzenierten Veranstaltung von NSDAP und dem "Verband für das Deutschtum im Ausland".

1935

  • Februar 1935: Stellbrink hält als Vertreter der Deutschkirche einen Vortrag an der Ernestinenschule mit dem Titel: "Die deutsche Kirche im Kampf gegen das Judentum in jeder Form", der einen zutiefst rassistischen und antisemitischen Ton anschlägt. Er übernimmt noch bis Dezember 1935 die Schriftleitung der 14-tägig erscheinenden Zeitschrift "Die Deutsche Kirche".

1936

  • Stellbrink tritt aus dem "Bund für Deutsche Kirche" aus. In seinem Brief an den Mitgründer Friedrich Andersen im August schreibt er über seine Gründe über "brauen Nebel" und das "Etikett "nationalsozialistisch".

1937

  • 31. Oktober 1937: Die Lutherkirche bekommt einen Neubau, der durch Bischof Balzer eingeweiht wird. Das Altarrelief des Bildhauers Otto Flath zeigt „Die deutsche Familie“, einer der Söhne hält ein Schwert in der Hand.
  • Wegen der Konfrontationen mit der Hitlerjugend, die Stellbrink der kirchlichen Erziehung seiner Kinder im Wege stand, kommt es zu Beschwerden und Eingaben seitens Stellbrinks, ebenso kühlt sich das Verhältnis zu Bischof Balzer ab. 
  • Dezember 1937: Stellbrink soll unehrenhaft aus der NSDAP ausgeschlossen werden, was jedoch durch das Gaugericht in einen (ehrenhafte) Entlassung aus der Partei umgewandelt wird. In den folgenden Jahren sind keinerlei schriftlichen politischen Äußerungen von Stellbrink mehr überliefert. Es ist zu vermuten, dass Stellbrink spätestens nach Kriegsausbruch eine kritische Distanz zu Hitler einnahm.

1939

  • September 1939: Der junge Zweitpfarrer der Lutherkirche, Deutschkirchler und NSDAP-Mitglied Gerhard Meyer, fällt im Fronteinsatz. Stellbrink ist nun alleine für die Leitung der Lutherkirche verantwortlich. Stellbrink kommentiert seinen „Heldentod“ kritisch und wird durch die Gestapo verwarnt.

1940

  • 16. Mai 1940: Stellbrinks Pflegesohn und Neffe Ewald stirbt im Frankreich-Feldzug im Alter von 19 Jahren. Die Distanz Stellbrinks zum Regime wandelt sich in Gegnerschaft. Die Aufrufe zur Abgabe von Kupfer für die Munitionsherstellung boykottiert er und beginnt, Kupfermünzen sackweise auf dem Kirchboden zu horten. So hämisch lässt er sich über die deutsche Kriegsführung aus, dass selbst Mitglieder der Bekennenden Kirche verwundert sind.

1941

  • Die Nazis agieren inzwischen offen gegen die Kirchen. Konfessionelle Schulen werden geschlossen, Kirchenzeitungen verboten, Klöster enteignet und Ordensleute vertrieben. Stellbrink fürchtet, dass seine Schwester Irmgard in der Heilanstalt Lengerich ermordet werden könnte, denn Gerüchte über die Euthanasie verbreiteten sich.
  • Stellbrinks jüngste Tochter Waltraut freundet sich mit Magdalene von de Berg an, der Tochter eines in der Herz-Jesu-Pfarrei aktiven katholischen Ladenbesitzers.
  • Mai 1941: Karl Friedrich Stellbrink trifft anlässlich einer Beerdigung auf dem Lübecker Burgtorfriedhof Kaplan Johannes Prassek. Rasch bemerken sie ihre gemeinsame Gegnerschaft zum Regime und bleiben in Kontakt. Sie tauschen Flugblätter, Hirtenbriefe und Informationen aus.
  • 12. Juni 1941: Am katholischen Hochfest Fronleichnam besucht Stellbrink die Heilige Messe in der Herz-Jesu-Kirche und zeigt sich begeistert von Innerlichkeit und Farbenpracht.
  • 26. Dezember 1941: Das Weihnachtsfest feiert die Pastorenfamilie Stellbrink im katholischen Hause von de Berg und ruft damit große Irritationen bei den evangelischen Amtskollegen hervor.

1942

  • Die Gestapo schleust einen Spitzel in Stellbrinks Gemeinde ein, Pastor Franz Holze, der als Soldat in Lübeck stationiert war und in Gesprächen das Vertrauen Stellbrinks erlangte. Von 1956 bis 1969 wirkte er als Pastor im südniedersächsischen Lauenberg.
  • 9. März 1942: Um 15.45 Uhr beerdigt Stellbrink ein Gemeindemitglied auf dem Vorwerker Friedhof in Lübeck. Als er die Kapelle betritt, ist das große Kruzifix über dem Altar mit einem Mantel verhängt, zuvor wurde um 15 Uhr eine Beisetzung eines NSDAP-Mitglieds. Stellbrink ist schockiert angesichts der Leugnung Christi, was ausführlich in den späteren Verhören belegt ist.
  • 29. März 1942: In der Nacht wurde Lübeck durch einen Bombenangriff gewaltigen Ausmaßes verwüstet. Übermüdet durch die Aufräumarbeiten der Nacht und aufgewühlt durch die Ereignisse predigt Stellbrink am Morgen zur Konfirmation, Gott habe mit mächtiger Stimme gesprochen, die Lübecker würden wieder lernen zu beten. Am Nachmittag besucht er das Haus der Familie von de Berg in der zerstörten Altstadt. Angesichts seiner drohenden Verhaftung bittet er Jakobus von de Berg, sich um seine Kinder zu kümmern.
  • 7. April 1942: Karl Friedrich Stellbrink wird verhaftet.

1943

  •  Juni 1943: In einem separaten Verfahren wird Stellbrink am Vormittag ebenso wie die Kapläne Lange, Müller und Prassek wegen "Zersetzung der Wehrkraft in Verbindung mit landesverräterischer Feinbegünstigung und Rundfunkverbrechen zum Tode verurteilt."
  • August 1943: Das eingereichte Gnadengesuch wird von Ernst Lautz abgelehnt.
  • November 1943: Stellbrink wird als letzter der Lübecker Märtyrer um 18.29 Uhr im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis durch das Fallbeil hingerichtet.
  • Sein Leichnam wird im Krematorium des Ohlsdorfer Friedhofs eingeäschert und die Übereste in einer Urne auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

1949

  • Seit 1949 befindet sich die Urne in einer Wandnische im Eingangsbereich der Lutherkiche hinter einer Gedenkplatte.
 

Karl Friedrich Stellbrink mit seiner Familie