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Gedenkstätte Lübeck: Tafel 7

Die mitverhafteten Laien / Die Haushälterin Johanna Rechtien

Die mitverhafteten Laien

Nach der Verhaftung der vier Geistlichen nimmt die Geheime Staatspolizei bis zum Herbst 1942 in Lübeck noch insgesamt achtzehn Laien fest. Die meisten von ihnen haben an den Gesprächskreisen der drei katholischen Kapläne an Herz Jesu teilgenommen. Die mitverhafteten Männer werden wie die Geistlichen zunächst im Gefängnis im Burgkloster und im Gefängnis Lauerhof eingesperrt. Sie werden fast ein Jahr lang bis zur Verhandlung vor dem Volksgerichtshof in Haft bleiben.

Die Gestapo will mit den Aussagen der Laien die Geistlichen noch stärker belasten. Doch dies misslingt, denn keiner der Männer lässt sich zu einer solchen Aussage bewegen. Einzelhaft, Schläge und einschüchternde Verhöre ändern daran nichts. Wie zermürbend die Haftbedingungen gewesen sind, beschreibt Stephan Pfürtner rückblickend: „Die endlose Monotonie der Tage kennzeichnete den äußeren Ablauf, gerade sie aber riß Abgründe im Inneren auf. Was machst du, wenn Tag um Tag vergeht, du in einer Zelle von etwa zweieinhalb mal dreieinhalb Meter sitzt, nichts zu lesen, nichts zu schreiben, nichts zu arbeiten, niemand zum Reden hast?“ Die Verhöre der Gestapo konzentrieren sich im Fall Pfürtners auch auf die Frage, ob es eine Verbindung des Studenten zur Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ in München gegeben habe, was nicht der Fall gewesen ist.

Durch die Verhaftung der Laien geraten ihre Familien in eine bedrängte Lage: Sie werden nicht nur umgetrieben von der Sorge um ihre Angehörigen, sondern auch durch den Staat unter Druck gesetzt. Gleichzeitig erfahren die Familien in der katholischen Gemeinde aber die Unterstützung durch Nachbarn und Freunde. Als die Gefangenen für die Gestapo in Lübeck eine Baracke errichten müssen, ergibt sich trotz der Bewachung durch einen glück-lichen Zufall für die Frauen und Kinder die Möglichkeit, die Männer wenigstens kurz zu sehen und ihnen Lebensmittel und sogar Hostien für die Kommunion zuzustecken.

Beim Prozess vor dem Volksgerichtshof werden sechzehn der Laien zu kleineren Haftstrafen verurteilt und direkt in Freiheit entlassen, da die Untersuchungshaft angerechnet wird. Sie werden als „Verführte“ der Priester eingestuft. Zwei der Laien jedoch, nämlich die beiden, die beruflich mit Herz Jesu verbunden sind, werden wegen „Rundfunkverbrechen“ zu längeren Haftstrafen verurteilt: Der Rendant Adolf Ehrtmann und der Mitarbeiter in der Registratur, Robert Köster. Dieser muss die einjährige Gefängnisstrafe bis zum Oktober 1944 verbüßen und stirbt 1946. Adolf Ehrtmann wird zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und erst am Kriegsende befreit. Als Bausenator und Lokalpolitiker wird Ehrtmann nach dem Krieg den Wiederaufbau Lübecks mitgestalten.

Die Haushälterin Johanna Rechtien

Eine wichtige Stütze für die verhafteten Kapläne wird die Haushälterin Johanna Rechtien (*1911 | †1991). Sie kümmert sich schon seit 1933 im Pfarrhaus an der Parade um den Haushalt und wird über den Krieg hinaus bis zum Tod des Dechanten Bültel im Jahre 1954 dort arbeiten.

Nach der Verhaftung der drei katholischen Kapläne sorgt sich Johanna Rechtien, die in einem Brief Johannes Prasseks an sie liebevoll als „Tante Hanna“ angeredet wird, um die Wäsche und schafft es, ihnen immer wieder kleine Dinge des täglichen Bedarfs ins Gefängnis zu bringen wie zum Beispiel Rasierzeug oder warme Pullover. Schreibzeug und Bücher, die die Haushälterin ebenfalls beschafft, sind in der endlosen Zeit der Einzelhaft für die Kapläne von großer Bedeutung. Doch Johanna Rechtien geht in ihrer Fürsorge noch weiter und erweist sich dabei als sehr risikobereit. Denn sie schafft es, zusammen mit den W&¨schebündeln Hostien und Messwein in die Zellen zu schmuggeln, so dass die Kapläne nun täglich die Heilige Messe feiern können. Gerade der Verzicht auf die Feier eines Gottesdienstes verbunden mit dem Empfang der heiligen Kommunion ist für die Geistlichen und die Laien äußerst schmerzhaft gewesen.

Zudem handelt Johanna Rechtien ohne Rücksicht auf die Konfessionen der Gefangenen. Auch Pastor Stellbrink versorgt sie ähnlich, wie aus einem Brief Karl Friedrich Stellbrinks an seine Frau Hildegard hervorgeht, in dem er ihr aufgibt, die Tochter möge sich bei der Haushälterin in seinem Namen bedanken.

Die Kapläne nutzen den Weg über die Haushälterin, um unzensierte Nachrichten aus dem Gefängnis zu schaffen. Hierdurch können sie weitaus offener über ihre Situation Auskunft geben.

Johanna Rechtien beweist mit ihrem Handeln für die vier inhaftierten Geistlichen außergewöhnlichen Mut, denn sie wäre selbst verhaftet und verurteilt worden, wenn diese Handlungen der Gestapo bekannt geworden wären.

 

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Gedenkstätte Lübeck, Vorraum der Krypta © Fiebig

Johanna Rechtien © Pfarrarchiv Herz Jesu Lübeck