Ansgar Lüttel: Der letzte Gang
Himmel und Erde am 16. Juni 2011
„Ich dringe darauf, dass diese Todesurteile auch tatsächlich vollstreckt werden.“ Ein Eintrag im Tagebuch von Joseph Goebbels vom 7. Juli 1943. Am 3. November telegraphiert der Generalstaatsanwalt in Celle nach Hamburg: Termin in Hamburg Mittwoch 10. November abends 6 Uhr“
Bis zuletzt hatten die Angehörigen des evangelischen Pastors Stellbrink und die Gemeindemitglieder der katholischen Gemeinde in Lübeck gehofft. Ihre Geistlichen waren im Juni 1943 von der fanatischen Unrechtsjustiz des Dritten Reiches zum Tode verurteilt worden. Viele hatten sich bemüht, etwas für die Todgeweihten zu tun. Auf katholischer Seite der Bischof von Osnabrück und im Auftrag des Papstes der Nuntius in Berlin. Auf evangelischer Seite die Familie des verurteilten Pastors.
An diesem 10. November mittags wird den Verurteilten mitgeteilt, dass sie am Abend hingerichtet werden. Die behördlichen Schriftstücke dazu sind Zeugnisse deutscher Gründlichkeit. Scharfrichter Hehr waltet seines Amtes. Mit den vier Geistlichen werden drei weitere Todeskandidaten hingerichtet. Das Blut der Opfer fließt buchstäblich ineinander.
Nach der Vollstreckung schickt die Unrechtsbürokratie die Rechnung: 1500 Mark und 70 Pfennig muss die hinterbliebene Frau Stellbrink für die Hinrichtung ihres Mannes auf das Konto der Gerichtskasse Moabit einzahlen.
Eduard Müller, einer der katholischen Kapläne, schreibt in sein Neues Testament: „In deiner Kraft, mein Herr und Heiland, nehme ich auf mich das Schwere, das Gott mir zugedacht. Mit dir schaue ich auf zum Vater im Himmel: Dein Wille geschehe. Dein Wille geschehe in mir und durch mich.“
Das Neue Testament von Kaplan Hermann Lange wird heute im Bischofshaus von Osnabrück aufbewahrt. Wer es betrachtet, ist zutiefst berührt. Es erzählt von mutigen Menschen, die ihren Glauben und ihre Überzeugung nicht verraten haben.