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Der christliche Glaube kostete sie das Leben

Kai-Uwe Woytschak interviewt Benjamin Lassiwe auf ERF Radio

Kai-Uwe Woytschak, ERF Radio, spricht mit dem Journalisten Benjamin Lassiwe über die Seligsprechung der Kapläne und die Ehrung für Pastor Stellbrink. Den Beitrag bieten wir mit freundlicher Genehmigung von ERF Radio, Wetzlar, an.

Manuskript

Woytschak: Gerade mal neun Minuten soll es gedauert haben, dann war die Sache erledigt. Innerhalb von neun Minuten wurden im November 1943 im Hof einer Haftanstalt vier Geistliche hingerichtet: die drei katholischen Kapläne Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange und der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink. Sie waren vom Volksgerichtshof in Lübeck verurteilt worden wegen Widerstandes gegen das Nazi-Regime. Morgen, am Samstag, werden die drei katholischen Kapläne von der Katholischen Kirche seliggesprochen. Die evangelische Kirche kennt so eine Amtshandlung nicht, und so darf man gespannt sein, in welcher Weise des vierten Lübecker Märtyrers gedacht wird. Am Telefon bin ich nun mit dem Journalisten Benjamin Lassiwe verbunden, der sich mit dieser Geschichte beschäftigt. Guten Tag, Benjamin.

Lassiwe: Guten Tag.

Woytschak: Wer waren denn diese vier Lübecker Märtyrer?

Lassiwe: Die Lübecker Märtyrer waren drei katholische Kapläne und ein evangelischer Pastor. Die drei Kapläne waren neu in der Stadt. Sie haben sich um Zwangsarbeiter gekümmert, sie haben Predigten des Löwen von Münster, des katholischen Bischofs Clemens August Graf von Galen vervielfältigt, fotokopiert, in denen er den Nationalsozialismus kritisiert hat. Ein bisschen anders war die Situation beim evangelischen Pastor Stellbrink. Der evangelische Pastor war eigentlich ein strammer Deutschnationaler, war Mitglied der NSDAP, ist dann aber im Laufe des Dritten Reiches offensichtlich zu der Erkenntnis gekommen, dass das nationalsozialistische System eben doch nicht mit seinem Glauben zu vereinbaren war und hat dann 1942 in einer Predigt gesagt, dass die Luftangriffe der Alliierten auf Lübeck wohl dazu führen werden, dass die Lübecker noch einmal das Beten lernen müssten, und das hat dann zur Verhaftung der vier Geistlichen geführt.

Woytschak: Die drei katholischen Kapläne werden im Rahmen einer Heiligen Messe seliggesprochen, auf welche Weise wird der evangelische Pastor geehrt?

Lassiwe: Für Stellbrink gibt es heute abend schon einen evangelischen Gedenkgottesdienst, denn es ist ja in der evangelischen Kirche eben so, dass wir keine Seligsprechung kennen. Wir kennen allerdings die Confessio Augustana, Kapitel 21, ein Bekenntnis der evangelischen Kirche aus der Reformationszeit, 1555 in Augsburg entstanden, wo die Reformatoren durchaus darauf hingewiesen haben, dass es in der evangelischen Kirche auch Heilige und Selige gibt, allerdings nicht als Figuren, die man anrufen kann, die man bitten kann, eine besondere Fürbitte bei Gott einzulegen, sondern als Vorbilder im Glauben, die ein ehrendes Gedenken verdient haben. Und deswegen gibt es heute abend dann eben eine Gedenkfeier, einen Gedenkgottesdienst für den evangelischen Pastor Stellbrink.

Woytschak: Und bei der Seligsprechung morgen, in der Messe, der katholischen Messe, wird man da auch an den evangelischen Pastor erinnern?

Lassiwe: Nach meinem Kenntnisstand wird es so sein, dass der schleswiger Bischof, Gerhard Ulrich, dort in der katholische Messe ein ökumenisches Wort sprechen wird und in dieser Messe dann eben auch noch einmal an Stellbrink erinnern will; denn es ist so, dass die Erinnerung an die vier Märtyrer nicht durch ihren Tod und die Seligsprechung getrennt werden soll. Das schließt übrigens auch ein, dass in dem evangelischen Gottesdienst heute abend der katholische Kardinal Walter Kasper anwesend sein wird und dann da seinerseits an die drei katholischen Märtyrer erinner wird.

Woytschak: In den Medien und in der Öffentlichkeit ist von den vier Lübecker Märtyrern die Rede. Das deutet darauf hin, dass sie für die Menschen in der Region zu einer bekannten Größe geworden sind. Welche Botschaft können uns denn die vier Lübecker Märtyrer heute übermitteln?

Lassiwe: Die Botschaft dieser Menschen ist, denke ich, dass der christliche Glaube eben nicht durch ein System, nicht durch ein menschengemachtes System, menschenverachtendes System wie den Nationalsozialismus, besiegbar ist. Die Lübecker Märtyrer haben für ihren Glauben eingestanden, sie haben für Zwangsarbeiter eingestanden, sie haben sich gegen den Nationalsozialismus gewehrt, sie haben ein diktatorisches Regime abgeschüttelt, das, denke ich, ist eine wichtige Message, die wir auch heute noch in vielen Teilen unserer Welt gut gebrauchen können.

Woytschak: Dankeschön für das Gespräch, das war Benjamin Lassiwe über die Lübecker Märtyrer. Drei davon, nämlich die katholischen, werden morgen seliggesprochen.

 

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Redaktion: Kai-Uwe Woytschak
Sender: ERF Radio
Datum: Freitag, 24. Juni 2011

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