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Ministerin Spoorendonk: Grußwort

Grußwort am 28. Oktober 2013 anlässlich der Eröffnung der Lübecker Gedenkstätte

Sehr geehrter Herr Erzbischof, sehr geehrte Damen und Herren,

in Schleswig-Holstein gibt es eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Initiativen im Bereich der Erinnerungsarbeit. Bislang fehlt es an einer landesweiten gemeinsamen Konzeption, die inhaltlich wie strukturell auf die aktuellen Entwicklungen aufgreift und die Gedenkstätten und Erinnerungsorte insgesamt zukunftsfähig macht. Darum arbeiten wir an einem Gedenkstättenkonzept für das Land. Die Zukunftsfähigkeit wird sich daran bemessen, welchen Beitrag Erinnerungsarbeit zur Entwicklung unserer demokratischen Gesellschaft zu leisten in der Lage ist. Wie kann das „Nie wieder!“ auch jüngeren Generationen noch Leitfaden und Handlungsmaxime sein?  Das ist die zentrale Frage, die sich angesichts der Übergabe der Verantwortung in die Hände nachfolgender Generationen stellt.

Es muss uns Generationen übergreifend wichtig sein, dass wir an die NS-Terrorzeit erinnern und ihrer Opfer gedenken. Indem wir dies tun, leiten wir Lehren aus unserer Geschichte ab und handeln entsprechend. Wir vergewissern uns so unserer selbst und stärken unsere Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Die Gedenkstättenlandschaft in Schleswig-Holstein ist vielfältig. Und Sie fügen heute einen wichtigen Baustein hinzu. Ich freue mich, heute bei Ihrer Einweihung dabei zu sein.

Der katholische Vikar Hermann Lange schrieb am 10. November 1941 aus der Todeszelle in Hamburg an seine Eltern und Geschwister. Ein zentraler Satz seines Abschiedsbriefes lautete: „Es liegt nicht in meiner Macht, irgend Etwas an dem Gang der Dinge zu ändern.“

Dieser Satz mag nach Demut klingen oder nach Aufgabe.

Mit dem Blick von heute aber wissen wir, dass sich sehr wohl etwas am Gang der Dinge geändert hat. Natürlich, wenn man die damalige Lage betrachtet, hatte sich nichts geändert. Die vier Geistlichen wurden hingerichtet, wie viele Tausende während der Zeit des Nazi-Regimes. Die Shoa schritt voran. Das Jahr 1941 gehört zu den traurigen Höhepunkten des Völkermordens im Osten. Russische, polnische, französische, englische und auch deutsche Städte wurden weiter zerstört. Auch große Teile der Lübecker Altstadt fielen dem Krieg zum Opfer.

War also das Zeugnis der vier Lübecker Geistlichen umsonst, hat es nichts am Gang der Dinge geändert? Ich meine doch,  es hat – und zwar in der Perspektive, die wir heute haben.

Schon einige Monate vorher, am 20. Juli 1941 predigte in Münster der dortige Bischof Clemens August Graf von Galen. Er protestierte gegen die Politik des Regimes, besonders gegenüber den Kirchen. Und dann formulierte er, ich zitiere:

„Wir sind Amboß und nicht Hammer! Aber seht einmal zu in der Schmiede! Fragt den Schmiedemeister und laßt es euch von ihm sagen: Was auf dem Amboß geschmiedet wird, erhält seine Form nicht nur vom Hammer, sondern auch vom Amboß. Der Amboß kann nicht und braucht auch nicht zurückzuschlagen, er muß nur fest, nur hart sein! Wenn er hinreichend zäh, fest, hart ist, dann hält meistens der Amboß länger als der Hammer. Wie heftig der Hammer auch zuschlägt, der Amboß steht in ruhiger Festigkeit da und wird noch lange dazu dienen, das zu formen, was neu geschmiedet wird. – Was jetzt geschmiedet wird, das sind die zu Unrecht Eingekerkerten, die schuldlos Ausgewiesenen und Verbannten.“

Amboss zu sein und Schläge auszuhalten. Das war die Botschaft von Galens. Ihm ging es um die Solidarit&¨t mit denen, denen Unrecht geschehen ist. Das Zeugnis der Märtyrer war deswegen nicht umsonst. Sie haben Solidarität geübt, wie viele andere, die sich oft im Kleinen gegen NS-Unrecht aufgelehnt haben.  Und sie zeigen uns heute, wie wichtig Solidarität und Widerstand gegen Unrecht ist. Darum sind für mich die Gedenkstätten so wichtig, auch diese neu hier eingerichtete Gedenkstätte in der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck. Sie ist ein sprechendes Zeichen von Solidarität und Widerstand und mahnt uns, immer aufzustehen, wenn Menschen himmelschreiendes Unrecht geschieht.

Neben die Verpflichtung gegenüber den Opfern des NS-Regimes und die Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung, die bislang im Mittelpunkt der Arbeit standen, rückt mit zunehmender Bedeutung die Aufklärung über gesellschaftliche und individuelle Bedingungen von Herrschaft, Macht und Verbrechen in den Fokus der Vermittlungsarbeit.

Die neuen Schülergenerationen, die die Gedenkstätten und Erinnerungsorte besuchen werden, haben keinen eigenen biographischen Zugang zu diesem Teil der deutschen Geschichte. Das erfordert ein deutlich erweitertes Spektrum der Vermittlungsarbeit.  Ich wünsche mir auch deswegen, dass viele Menschen der jungen Generation den Weg in die Propsteikirche finden, um sich mit dem Schicksal der Lübecker Geistlichen auseinanderzusetzen.

In diesem Sinne danke ich Ihnen allen für Ihren Einsatz um die Gedenkstätte der Lübecker Märtyrer und wünsche dieser, den Zuspruch, der ihr gebührt.

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Info


Grußwort der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa in Schleswig-Holstein, Anke Spoorendonk anlässlich der Eröffnung der Gedenkstätte für die Lübecker M&¨rtyrer am Montag, 28. Oktober 2013.

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