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Peter Schmidt-Eppendorf: Ökumene der Märtyrer

Vortrag am 18. März 2004 im Burgkloster Lübeck

Einleitung

Am 10. November 1943 gingen sie nacheinander ihren letzten irdischen Weg, ausgezogen bis aufs Hemd, die Hände auf dem Rücken gefesselt.[1] Als erster ist der Adjunkt Eduard Müller (32) dran. Gefaßt betet er auf dem Wege um einen guten Tod. Sein letztes Wort an den Gefängnispfarrer Hermann Behnen, der ihn begleitet: „Herr Pfarrer, auf ein frohes Wiedersehen im Himmel! Aber grüßen Sie noch aufs herzlichste meine lieben Lübecker, die ich nie vergessen werde!“

Wenige Minuten darauf wird Vikar Hermann Lange aus der Zelle geholt. Er bittet Pfarrer Behnen, das Bildchen der Kleinen hl. Theresia noch einmal anschauen zu dürfen. Die Patronin der Jugend, die er so oft um Fürsprache für seine Lübecker Jugendlichen angerufen hatte. Nun ist er selbst in Bedrängnis und banger Erwartung. Jesus – Heiland – Theresia...

Der dritte ist Kaplan Johannes Prassek. Behnen reicht ihm das Kreuz. Prassek küßt es mit großer Innigkeit. Als sie über die Schwelle des Raumes treten, in dem das Schafott auf ihn wartet, stößt er den Gefängnispfarrer sanft mit dem Ellenbogen an und meint: „Herr Pfarrer, nun Gott befohlen! Ich bin überzeugt, daß ich in die Anschauung Gottes gehe, darum sterbe ich zuversichtlich. Ich werde auch für Sie unablässig beten, bis wir uns im Himmel die Hand gereicht haben, darauf können Sie sich verlassen, aber, daß Sie doch ja nicht vergessen, den Lübeckern zu sagen, daß ich in echt priesterlicher Weise an sie denke in alle Ewigkeit.“

Als letzten holen sie den evangelischen Pastor Karl Eduard Stellbrink.[2] Pastor Eske, der evangelische Gefängnisseelsorger ist bei ihm. Dreimal hatten sie aus der Ferne das Fallbeil dumpf aufschlagen hören. Eske muß unwillkürlich in das Gesicht seines Mitbruders schauen,

„auf den Hals – auf die Stelle – wo – in den nächsten Minuten —! Nein, nicht denken – das Grauen schüttelt mich... Noch einmal reiche ich ihm die Hand. Trotz der Festlegung auf dem Rücken fassen sich unsere Hände in einem festen Druck, der mehr als Worte sagt. – Dann lege ich meine Hand auf seine entblößte Schulter, unsere Augen tauchen tief ineinander: ‚Auf Wiedersehen – im Himmel!‘ Langsam wiederholt er diese Worte. Ein Lichtzeichen blinkt auf, es ist Zeit zu gehen. Stellbrink ist völlig still und ruhig. An der Tür wendet er mir noch einmal sein Gesicht zu – diese weiße, zuckende Gesicht – mit einem langen gequälten Blick grüßen seine Augen – zum letzten Mal.“ Dann packen die Fäuste der Henker zu.“

In der Stadt Lübeck stehen die Kirchen, an denen diese Geistlichen wirkten. Hinter einer Gedenktafel in der Luther-Kirche befindet sich die Urne mit der Asche Karl-Friedrich Stellbrinks. In der Krypta der Herz-Jesu-Kirche steht die Urne Hermann Langes, eingebettet in eine Stele, auf der Pilatus seine Hände wäscht in Unschuld.

Unsere Frage heute, nach mehr als 60 Jahren, ist, wie gehen wir mit ihrem Andenken künftig um, und gibt es eine Ökumene der Märtyrer?

1. Heiligkeit – was ist das?

Am Fest „Allerheiligen“ hatten alle katholischen Schüler unterrichtsfrei. Sie fanden sich deshalb fast vollzählig in der Kirche ein, darunter auch viele, die sonst das ganze Jahr nicht zu sehen waren. In der Predigt fragte ich sie, ob sie „heilig“ werden wollten. Die meisten guckten mich entgeistert an. Offenbar empfanden sie Heiligkeit als etwas Unnatürliches, von jeder Realität Abgehobenes, das keinesfalls erstrebenswert sei. Ich habe ihnen dann erklärt, daß Heiligkeit so  etwas ist wie okay sein – okay sein vor Gott. Ich hatte den Eindruck, daß sie mich verstanden.

Er ist der ganz Heilige (Ps 71,22; Jes 5,24; Hab 3,3; Jes 6, 1–7). Auch im NT (Offb 15,4), der „Quell aller Heiligkeit“, wie wir es in der Liturgie ausdrücken. „Du allein bist heilig!“ Die Heiligkeit des Menschen dagegen ist gottgeschenkte Teilhabe an Seiner Heiligkeit, etwa wie Paulus es audrückt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir.“ (Gal 2,19f).

Unser Umgang mit dem Heiligen – dem mysterium tremendum et fascinosum – hat sich beinahe erschreckend gewandelt. Sind uns noch Räume heilig (terribilis estlocus iste – Gottes Haus ist hier und die Pforte des Himmels)[3], Geräte und  Gefäße, die mit dem „Heiligen“ in Berührung kommen, Personen, die durch Salbung und Ordination in den heiligen Dienst genommen sind, oder die sich in besonderer Oblation dem Herrn geweiht haben?

Mit der Ehrfurcht sind in gleichem Maße geschwunden Ansehen und Bedeutung von Anbetung und Gebet, Askese, Buße und Sühne, das Bewußtsein von Sündhaftigkeit und Bosheit. (Nichts ist ihnen mehr heilig, „homo homini lupus“[4]) Heute in dieser so sehr verweltlichten Welt von Heiligkeit, von Seligen und Heiligen zu sprechen kommt einer Herausforderung gleich.

Was heißt es, wenn die in Christus gegründete Kirche als communio sanctorum für sich in Anspruch nimmt, über die Heiligkeit eines Dieners / einer Dienerin Gottes zu befinden? Seligsprechen, Heiligsprechen ist keine Magie, kein Zauber, es ist nur das nach intensivster Prüfung ausgesprochene Urteil, daß die betreffende Person als selig oder heilig angesehen und geehrt werden darf.

Das heißt nicht, daß die Kirche jemanden heilig machen kann, der nicht heilig ist.
Das besagt aber auch nicht, daß nur die heilig sind, die die Kirche heiliggesprochen hat oder heilig spricht. Wie leer wäre dann der Himmel: “Ich sah eine Schar, die niemand zählen konnte“ (Offb 7,9)

Zur Heiligkeit ist jeder für sich selbst aufgerufen. „Seid also vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5,48). Maßstab ist das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Mt 22,37–39), die Bergpredigt mit ihren Seligpreisungen und Weherufen (Mt 5–7; Lk 6,20–49), das Vaterunser und die „Goldene Regel“. Aus der Botschaft Christi, dass die in Christus Vollendeten in seiner Herrlichkeit leben (vgl. Joh 6,37-51), erwuchs völlig organisch eine eigene Heiligenverehrung (zunächst ohne „Heiligsprechung“)[5] Dahinter stand der Glaube an die Erfüllung der Verheißungen Christi und die Freude der Teilhabe an seinem Sieg über die „Welt“ (Joh 4,5)[6]

2. Geschichte der Heiligenverehrung

2.1. Die katholische Kirche

Dies Heiligenverehrung war zuerst eine Märtyrerverehrung. Erstes schriftliches Zeugnis für die Märtyrerverehrung bezieht sich auf den Tod des hl. Bischofs Polykarp von Smyrna um 156 n. Chr. Nach dem Martyrium erhielt die Gemeinde seine Gebeine, „die wertvoller sind als kostbare Steine unschätzbarer als Gold, und haben sie an geeigneter Stätte beigesetzt. Dort werden wir uns mit der Gnade Gottes nach Möglichkeit in Jubel und Freude versammeln und den Geburtstag seines Martyriums feiern zum Andenken an die, welche bereits den Kampf bestanden haben, und zur Übung und Vorbereitung für die, welche ihm noch entgegengehen.“

Nach dem Toleranzedikt von 313 nahm die Märtyrerverehrung einen großen Aufschwung. Kultstätten und Anniversarien wurden in einer depositio martyrum der Ortskirchen verzeichnet. Durch dieses Edikt wurden den Christen auch alle ihnen bisher entzogenen Versammlungs- und Kultstätten wieder zurückgegeben. So entstanden die ersten Martyrologien, zu denen später die depositiones episcoporum hinzukamen, das sind die Verzeichnisse der verstorbenen Bischöfe der Ortskirche, die nicht den Märtertod erlitten hatten. Ihre Verehrung erfolgte in Form der Darbringung der Eucharistie, vornehmlich am dritten, siebten und vierzigsten Tag nach dem Tode so wie am Tag des Jahrgedächtnisses, und zwar zunächst am Grabe.

Später kam der Gebrauch der translatio, der Übertragung der Gebeine auf, wobei der Kult dann auch auf jene Gemeinden ausgedehnt wurde, die über keinen Blutzeugen aus den eigenen Reihen verfügten (Mißbrauch, Reliquienraub etc. – Aber alles aus dem Bewußtsein um den übernatürlichen Wert). Diese frühen „Nekrologien“ wurden schließlich durch die großen Persönlichkeiten des Alten und Neuen Testamentes (Patriarchen, Propheten, Apostel und sonstige Märtyrer, die nun auch anderen Lokalkirchen entstammten) ergänzt. In der Folge – vor allem seit der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts – wurde der Märtyrerbegriff dahin ausgeweitet, dass man auch durch heroische Tugendübung die Verdienste des Martyriums erlangen konnte.

Ausgangspunkt der Verehrung war der „Ruf der Heiligkeit“ (odor sanctitatis), verbunden mit dem Ruf Wunder zu wirken. dem Bischof oder der Synode wurde eine Lebensbeschreibung mit Hinweisen auf zugeschriebene Wunder vorgelegt. Dabei kam es auch zu Mißbräuchen, so daß auf dem 3. Konzil von Karthago 401 bestimmt wurde, alle Altäre auf den Feldern und an den Wegen zu entfernen, bei denen nicht bewiesen werden könne, daß sie den Körper oder die Reliquien eines Märtyrers enthielten.

Dieses Verbot wurde 789 in einer admonitio generalis bekräftigt. Außerdem verbot das Konzil von Frankfurt (794) die Verehrung neuer Heiliger und die Errichtung von neuen Erinnerungsstätten an den Wegen. Die Verehrung der Heiligen gehöre in die Kirche.

Dies kann als ein erster Ansatz eines Heiligsprechungsverfahrens angesehen werden. Man war dabei zunehmend bemüht, durch Einladung der Nachbarbischöfe und weltlicher Fürsten zur Erhebung (elevatio) eines Heiligen, dessen Kult über die Grenzen der Diözesen hinaus zu verbreiten. Dieses Bemühen um breite Anerkennung, nicht zuletzt aber auch um Hilfestellung gegenüber einem zu starken lokalen Druck, führte immer öfter dazu, dass der Papst um Erlaubnis für den neuen Kult gebeten wurde, um der Heiligsprechung auch noch besonderen Glanz zu verleihen. So nahm eine weit verbreitete Überzeugung die spätere Gesetzgebung des Papstes vorweg, mit der er die Kanonisation sich selbst vorbehielt.[7]

Die erste sicher überlieferte Kanonisation durch den Papst ist die des hl. Ulrich von
Augsburg durch Papst Johannes XV. auf der Lateransynode 993.[8] Der Begriff canonizare findet sich vermutlich erstmals im Zusammenhang mit der
Heiligsprechung Simeons von Polirone[9] durch Benedikt VIII. (1016) als „Aufnahme in den Kanon (d. h. das Verzeichnis) der Heiligen“. Ab Mitte des 12. Jahrhunderts wird der Ausdruck ständig verwendet. Als erster Papst gebrauchte Alexander der III. (1159–1181) dieses Wort. Er legte durch das Dekretale „Audivimus“ die Rechtsgrundlage für die formelle Zuständigkeit des Papstes im Hinblick auf Kanonisation.[10] Mit leichten Veränderungen wurde sie später in die Dekretalen Gregors IX. (1227–1241) aufgenommen.

Mit dem Inkrafttreten dieser Dekretalen (1234) fiel die Kanonistion zwar in die ausschließliche Zuständigkeit des Apostolischen Stuhles, doch wurde damit die Entstehung lokaler Kulte nicht verhindert.[11] Dies gelang erst 400 Jahre später Papst Urban VIII. (1623–1644) mit den berühmten Dekreten „de non cultu“ (1625).[12] Von da an durfte ohne Erlaubnis des Hl. Stuhles kein öffentlicher Kultus mehr eingeführt werden. Urban VIII. erließ für die Durchführung von Kanonisationsverfahren detaillierte Gesetze, die im 17. und 18. Jahrhundert weiter verbessert wurden und schließlich in den Codex Iuris Canonici von 1917 Eingang fanden.[13]

2.2. Die evangelische Kirche [14]

Der reformatorische Grundsatz solus Christus und sola fide konnte nicht ohne Folgen für Lehre und Praxis der Heiligenverehrung bleiben. Am konsequentesten verfuhr Bucer mit der Abschaffung aller Heiligentage.[15] (Mißbrauch der Feiertage, Müßiggang, Völlerei, Lasterhaftigkeit...)

Bei Luther herrschen zunächst noch positive Aussagen über die Rolle der Heiligen vor. (Communio sanctorum – Kirche als „Bruderschaft“).[16] Später betonte er, die Heiligenverehrung sei nicht notwendig, man solle die Menschen zu Christus führen, jedoch mit den Schwachen behutsam umgehen. Später wurde die beherrschende Stellung Christi als des alleinigen Heilsmittlers so wichtig, daß er die Anrufung der Heiligen gänzlich verwarf.[17]

Konzentration des Glaubens auf Christus, dem die Hinwendung zu den „lebendigen Heiligen“, d. h. den Gliedern der Kirche entsprechen sollte, „denen ein Kult der verstorbenen Heiligen den Dienst der Liebe schuldig bleibe“. Luther plädierte für die Abschaffung der Überzahl von Heiligenfesten bzw. für ihre Verlegung auf den Sonntag. Jedoch zeigt ein Blick auf seine Predigtpraxis und die seiner Zeitgenossen, daß im reformatorischen Gottesdienst das Gedächtnis der Heiligen nicht aufgehört hat.[18]

An die Stelle des Heiligenkultes trat jetzt das Gedächtnis der Heiligen im Rahmen der evangelischen Predigt. Es diente zur personalen Veranschaulichung des Christusglaubens und zur Ermutigung in der Nachfolge Christi. (Luther sagt selbst: Neben der Heiligen Schrift „ist ja kein nützlicher Buch für die Christenheit denn der lieben heiligen Legenden... Als darin man gar lieblich findet , wie sie Gottes Wort von Hertzen geglaubt und mit dem Munde bekand, mit der That gepreiset und mit yhrem leiden und sterben geehret und bestettigt haben... Denn, wo man allein die schrifft on exempel und historien der heiligen leret, obwol inwendig der geist das seine reichlich thut, so hilfts doch trefflich seer, wo man von auswendig auch die exempel der anderen siehet odder bekennet, thut und leidet“)[19]

Die Confessio Augustana spricht im Artikel XXI „Vom Dienst der Heilgen“ und entfaltet in der Apologie, wie man die Heiligen ehren solle:

  1. durch den Dank an Gott, für das Exempel seiner Gnade,
  2. durch Annahme der Glaubensstärkung im Exempel der Heiligen,
  3. durch die Nachfolge in Glaube, Liebe und Geduld nach dem Exempel der Heiligen.

In der Folgezeit ist der Abschnitt de sanctis in den evangelischen Dogmatiken nahezu verschwunden.[20] 1636 greift Johann Gerhard den Ansatz der Confessio Augustana wieder auf:

„Gerne sind wir damit einverstanden, 1) daß das Gedächtnis der Heiligen in der Kirche bewahrt werden soll; 2) daß über ihr rühmliches Leben und Sterben in angemessener Weise Predigten angeordnet werden können; 3) daß ihre Lebensgeschichten schriftlich festgehalten werden können nach dem Beispiel im Schlußteil des Buches Jesus Sirach, bei Lukas in der Apostelgeschichte und in den Briefen der Apostel; 4) daß Glaube, Liebe, Geduld, Standhaftigkeit und Heldenmut der Heiligen der Kirche zur Nachahmung vor Augen gestellt werden können, jedoch nach Maßgabe von Stand und Berufung jedes Frommen; 5) daß die Heiligen zu ehren und zu rühmen sind , weil sie Gottes Gaben treulich gebraucht haben, weil sie Gott zu ihrer Zeit gedient haben und weil sie die ihnen anvertrauten Pfunde für die Kirche eingesetzt haben. (Act 13,37; Gal 1,24); 6) daß in den Heiligen Beispiele von Charakterstärke vorgestellt werden und daß in ihnen die Gemeinschaft der streitenden und triumphierenden Kirche sichtbar werde.“[21]

Mitte des 19. Jahrhunderts wies Wilhelm Löhe wieder auf den Mangel hin, „daß man nun gar keinen Lebenslauf, keine Märtyrergeschichte, gar keine leuchtende Historie mehr vernimmt als allenfalls das einzige Leben des Helden Luther. [...] Warum sollte man [...] nicht auch die Zeugenwolke des Neuen Testamentes benutzen wollen, um sich auch durch sie auf den Anfänger und Vollender des Glaubens weisen zu lassen“[22]

Der Dogmatiker Paul Althaus formuliert:

„Die Gemeinde lebt von ihren Heiligen, den im Glauben sonderlich Bewährten. Sie dienen ihr, wenn sie ihrer gedenkt. In diesem Sinne gibt es auch ein evangelisches Allerheiligen.“[23]

Nach dem Zweiten Weltkrieg bedauerte Max Lackmann in seinem Buch „Versuch einer lutherischen Lehr von den Heiligen“ die „Engführung durch den Christus-solus-Gedanken. Ihm ging es darum Christus mit den Heiligen als himmlische Kirche zusammenzuschauen und die verklärten Heiligen an der Weltregierung Christi teilhaben zu lassen. In der Feier der Eucharistie solle nach ostkirchlichem Vorbild die Heiligenverehrung ihren Ort haben: „der Heilige“, „das Heilige“ und „die Heiligen“ gehören zusammen.

Schließlich sei noch auf evangelische Namenskalender hingewiesen.[24] Zum Beispiel: Verzeichnis datumsgebundener Feier- und Gedenktage (Agende I
der VELKD, kl. Ausgabe 1955) a) Biblische Heiligentage (Maria, Apostel u. Evangelisten, Johannes d.T., M.Magdalena, Stephanus, Pauli Bekehrung.)
Ferdinand Pipers „Evangelischer Kalender“ (1850 im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV.) Er stellte aus den Hauptepochen der Kirchengeschichte von ihrem Anfang bis 1800 die Blutzeugen, die Hirten und Lehrer der Kirche sowie die Zeugen aus den weltlichen Ständen unter Berücksichtigung der alten kalendarischen Überlieferung nach ihren Todesdaten zusammen. Dabei sollte kein Tag des Jahres ohne Namen bleiben. Durch den täglichen Blick auf den Kalender sollte die Erinnerung an die Wirkungsgeschichte des Evangeliums wachgerufen werden. Zur Einführung erschienen von 1850–1870 zu den Kalendernamen 399 Lebensbilder (später in Buchform mit dem Titel „Zeugen der Wahrheit“). Pipers Auswahl war ökumenisch. Weder nationale noch regionale, noch konfessionelle Grenzen sollten hinderlich sein, wenn es darum ging, die Vielfalt des christlichen Glaubens- und Lebenszeugnisses zur Geltung zu bringen.[25] Die Eisenacher Kirchenkonferenz lehnte 1870 die offizielle Rezeption des Evangelischen Kalenders ab.

Seit 1922 erschien ein Kalender im Jahrbuch „Das Gottesjahr“. Er wurde 1937 verboten als „Kampfansage an die nationalsozialistische Weltanschauung.
1961 wurde ein Kalender-Ausschuß der Lutherischen liturgischen Konferenz gebildet, dessen Namenkalender 1966 auf Beschluß der EKD zum Gebrauch freigegeben wurde. Er enthält 400 Namen.

  • Kriterien für die Aufnahme, Innerster Kern: Märtyrer – 96 Blutzeugen, dazu 12 Bekenner und Verfolgte
  • Kein deutsch-protestantisches „Walhalla“ – Zeugen aller Völker und aller Zeiten. 
  • katholische und freikirchliche Zeugen nicht ausgeschlossen, sofern es sich um Gestalten handelt, an denen die Kraft des Evangeliums wirksam gewesen ist
  • Die Aufnahme in den Kalender bedeutet nicht so etwas wie eine evangelische Heiligsprechung. Der Kalender muß revidierbar bleiben besonders hinsichtlich der Gestalten der neueren Zeit.
  • Enthalten sind 40 Namen von Liedsängern – Zeugnis als Sprachlehre des Glaubens für die evangelische Frömmigkeit wichtig.
  • Der Kalender besitzt nur einen hinweisenden Charakter, in einer Reihe mit Bibelleseplan, Losungsbuch der Brüdergemeinde etc.

Die Kirchen der VELKD und der EKU haben in ihren Agenden ein Sammel- Proprium für den Gedenktag eines Märtyrers und eines Kirchenlehrers sowie für den Tag der Kirchweihe.

Nach der Kalenderreform des 2. Vatikanums (1969) wurde eine angepaßte ökumenische Fassung des Evangelischen Namenskalenders 1975 verabschiedet und 1984 veröffentlicht. Darin sind

  • 85 Namen gemeinsam mit dem katholischen Regionalkalender, davon 14 mit unterschiedlichen Daten
  • 15 Namen mit katholischen Diözesankalendern, davon 8 mit unterschiedlichen Daten
  • 14 Namen gemeinsam mit katholischen Namenstagen im ergänzten Fest- und Namenskalender der astronomischen Grundlagen
  • 24 Datumsfeiertage (= biblische Heiligentage) gemeinsam
  • Das sind im deutschen Sprachgebiet insgesamt 138 gemeinsame Fest- und Gedenktage.

Exkurs: Walter Nigg

An dieser Stelle ist wohl auch der reformierte Pfarrer und Theologe Walter Nigg zu nennen. (* 6.1. 1903 in Gersau (Kt. Schwyz), † 17.3. 1988 in Dänikon (Kt. Zürich). Im Jahre 1947 trat er zum ersten Mal unübersehbar hervor mit seinem Werk „Große Heilige“. Seidel spricht im Hinblick auf dieses Werk von Niggs „erstem, sensationellem hagiographischen Erfolg“. (Aus: Walter Nigg - Ein Leben mit den Heiligen). Ida Friederike Görres sprach damals in einer Vorstellung dieses Buches in den Frankfurter Heften (Januar 1948) davon mit den Worten: „Auf jeder Seite spürt man die grenzenlose... Begeisterung, die reine Hingerissenheit durch den Gegenstand“. - Mit den „Großen Heiligen“ eröffnete Nigg einen Weg ins Reich der Heiligen, der so noch nicht begangen worden war. Dieses Buch gilt als der Markstein einer neuen Sicht der Heiligen, und darum hat Gerhard Ludwig Müller recht, wenn er von Nigg sagt, er sei „bedeutsam geworden für die Erneuerung einer konfessionsübergreifenden Hagiographie“. Treffend führt Müller dann weiter aus:

„Auf historischer Grundlage versuchte er, mit psychologischer Sensibilität und spiritueller Kongenialität große Gestalten der Christenheit - jenseits flacher Erbaulichkeit und moralisierender Verzeichnung - als Leitbilder christlicher Existenz... zum Leuchten zu bringen.“ (LThK3 Bd. VII, Sp. 832).

Auch der Gedanke von der Verleiblichung des Christentums beschwingt gleichsam Nigg zu immer neuen, gekonnten Kennzeichnungen von Heiligengestalten. Bei aller Begeisterung ist sich Nigg auch der Schwierigkeiten seines Unternehmens bewußt, denn:

„Wir wissen um das Kreuz dieser Aufgabe genau Bescheid, daß sie ein Feuer nachbilden soll: ein Feuer, das einmal gebrannt hat und heute leider nicht mehr brennt. Alle echte Heiligenschilderung bemüht sich unablässig, in die glimmende Glut unter der Asche kräftig hineinzublasen. Sind wir imstande, eine neue lodernde Flamme zu entfachen...?“ (Heilige und Dichter, S. 14).

Auch das Phänomen des Todes bei den Heiligen und unser Tod beschäftigte Nigg. Aus diesen Überlegungen entstand das Buch „Die Hoffnung der Heiligen - Wie sie starben und uns sterben lehren“ (Ostfildern, auch als Bd. 1800 der Herderbücherei, 1993.[26]

Auf katholischer Seite hat sich ähnlich Wilhelm Schamoni bemüht, „Das wahre Gesicht der Heiligen“ (München 1938 und spätere Aufl.).

2.3. Die orthodoxe Kirche [27]

Zu Beginn des 2. Jahrhunderts entwickelt sich der Märtyrerkult in Rom, wobei klar getrennt wird zwischen Kult zu Gott (latreia) und Kult zu den Heiligen (proskynesis) Ab dem 4. Jahrhundert kommt der Heiligenverehrung ein solcher Rang im kirchllichen Leben zu, daß Lokalsynoden dazu Stellung nehmen. Es entstehen Heiligenlisten oder Dyptichen und nach ihnen ein Festkalender, der sich nach dem Todesdatum der Heiligen richtete. Zunächst wies dieser Heiligenkalender nur wenige Namen auf.

Gedächtnisgebäude dürfen nur an Orten errichtet werden, wo das Grab oder Reliquien eines Märtyrers sich befinden oder wo von alters her ein Kult gefeiert wurde. Das 2. Konzil von Nizäa (787) legt fest: es darf von nun an keine Kirche ohne Märtyrerreliquien geweiht werden. Der altchristliche Brauch, Liturgien über dem Grabe der Märtyrer zu feiern oder bei ihren Reliquien zu halten führte dann zur Einführung des Antemensions (seidenes Altartuch mit Reliquien, das vom Bischof geweiht ist).

Nach den Märtyrern der Frühzeit galten als Vorbild für die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden Mönche, Asketen, Bischöfe, deren Lebenswandel die Wiederherstellung des paradiesischen Zustandes der Schöpfung vor der Erbsünde nach Möglichkeit näher brachte. (Wegweiser: Elias, Johannes d.T.) Die Anerkennung als Heiliger wurde dem gemeinsamen Glauben der Kirche überlassen, während der liturgische Kult von mehreren Seiten gefördert wurde. (Fürsten...)

Die ersten erhaltenen Urkunden eines Heiligsprechungsverfahrens stammen aus derzeit des Patriarchen Kallistos (um 1360) im Falle des Gregorios Palamas. Kurz nach dessen Tode bittet der Patriarch um Berichte über Wunder, die durch P. gewirkt wurden, 1364 bzw. 1367 erlaubt Patriarch Philotheos die private Verehrung (Schreiben an die Mönche auf dem Athos) und 1368 wird das Fest des hl. Gregorius Palamas offiziell durch Synodaldekret anerkannt. Das Patriarchat sanktionierte also einen Brauch, der bereits in Lokaleparchien existierte.
Dieser Grundregel blieb die orthodoxe Kirche bis heute treu.

Eine große Bedeutung haben die unter Metropolit Makarij stattgefundenen allrussischen Konzilien von 1547 und 1549, auf denen zahlreiche russische Heilige, darunter auch die Neomartyres von Vilna aus dem Jahre 1347, kanonisiert wurden.

Der liturgische Kult findet seinen Ausdruck in einer Akoluthia (Offizium mit Kirchenhymnen - vgl. Akathistos). Fast für jeden Heiligen wurde ein Ikonentyp geprägt, dessen Merkmale in den Ikonenbüchern des Dionysos von Phurna oder des Stroganov festgehalten worden sind.

3. Wie verläuft ein Selig- bzw. Heiligsprechungsprozess?

Der Sprachgebrauch sagt es: Seligsprechungsprozess. In der Tat gleicht dieser Prozess einem außerordentlich strengen Gerichtsverfahren, in dem „Tatbestände, Tatsachen“ erhoben und in einem strengen Für und Wider, wie zwischen Staatsanwalt und Verteidigung, abgewogen und zu einem rechtskräftigen Urteil durch den Richter geführt werden.

Grundlage dafür ist der Codex Iuris Canonici (das „Gesetzbuch“ der Kirche, CIC) welches das Verfahren in den Paragraphen (Canones) 1999–2135 regelt (Fassung von 1917, 1983 revidiert) Seligsprechungsprozesse und Kanonisationen sind allein dem Hl. Stuhl vorbehalten.

Die Einleitung des Verfahrens ist Aufgabe des „Ortsbischofs“, d. h. des Bischofs jener Diözese, in deren Gebiet die Person, deren Selig- bzw. Heiligsprechung angestrebt wird, ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. (Todestag als „Geburtstag für den Himmel“ – Grabstätte als besonderer Ort des Gedächtnisses bzw. der Verehrung). Er leitet diesen Prozess von Amts wegen oder auf Antrag von Initiativen ein. Dem jeweiligen Bistum obliegt die Verantwortung für die Sammlung von Beweisen im Hinblick auf Leben und Sterben der betreffenden Männer und Frauen, so wie die Beweisführung über den Ruf der Heiligkeit (odor sanctitatis), der herausragenden Tugenden, des Martyriums und eventuell eingetretener Wunder.

Hierzu gehört die Dokumentation des gesamten Schrifttums (Tagebücher, Briefe,
Urkunden etc.) und audiovisuellen Materials (auch Webpublikationen), wie auch die Aussagen von Zeitzeugen (Augen- und Ohrenzeugen). Veröffentlichte Schriften müssen von theologischen Gutachtern geprüft werden. Der Bischof soll alle Gläubigen auffordern, ihm entsprechende Informationen (sowohl positive als auch negative) hierzu mitzuteilen. Nach Abschluß dieses Verfahrens werden die Akten (das Summarium) der römischen Kongregation für die Seligsprechungen zugeleitet.

Die Untersuchung etwaiger behaupteter Wunder hat getrennt von der Untersuchung der Tugenden oder des Martyriums zu erfolgen. Für die gesamte Dauer des Seligsprechungsprozesses ernennt der Ortsbischof einen Postulator, das ist ein Priester, der in Rom einen festen Wohnsitz hat und das Anliegen der Seligsprechung bei den kirchlichen Amtsstellen vertritt.

Es werden zwei Verfahren unterschieden: der normale (non cultus) und der außerordentliche Weg (per viam cultus). Der normale Weg setzt den Nachweis voraus, daß dem Diener Gottes bisher keine öffentliche Verehrung zuteil wurde und eine etwa unberechtigte wieder beseitigt ist. Mit diesem Nachweis verbindet sich die Bitte, den Diener Gottes künftig als Seligen verehren zu dürfen (Gehorsam gegen die Dekrete Urbans VIII.). Der außerordentliche Weg sucht den Beweis zu liefern, daß ein Diener Gottes sich des Besitzes einer öffentlichen Verehrung seit unvordenklicher Zeit in rechtmäßiger Weise erfreut habe und deshalb mit Recht auch fernerhin als Seliger verehrt werden dürfe.

Die Seligsprechung hat nur vorläufigen Charakter. Sie zielt hin auf die Heiligsprechung (Kanonisation), die sie vorbereitet. Sie gibt die Erlaubnis zu einer nach Ort und Umfang beschränkten öffentlichen Verehrung. Dagegen fällt bei der Heiligsprechung der Papst als oberster Hirte und Lehrer der Christenheit sein letztes und allgemein bindendes Urteil:

„Dieser Selige (Diener / Dienerin Gottes) ist ein Heiliger und ich nehme ihn auf in die Zahl der Heiligen, und er darf in der ganzen Kirche als Heiliger verehrt werden.“[28]

Die Seligsprechung wird dann vorgenommen, wenn der heroische Grad der Tugend durch die Kongregation festgestellt ist und feststeht, daß Gott auf seine Fürbitte Wunder gewirkt hat.

Der schwierigste Teil des ganzen Prozesses ist die Feststellung der heroischen Tugendgröße. Sie ist bei den Märtyrern aber verhältnismäßig einfach. Hier braucht nur der Beweis erbracht zu werden, daß die Märtyrer, ohne das Martyrium provoziert zu haben, durch den Haß der Ungläubigen gegen den katholischen Glauben oder gegen eine christliche Tugend den Tod erlitten und daß sie geduldig und unbesiegt ausgeharrt haben bis ans Ende. Der Tod wird als hinreichender Beweis für den Heroismus der Tugend angesehen. Es muß gezeigt werden, daß der Diener Gottes starb, weil er Christ war, oder weil er etwas nicht tun wollte, was den Abfall vom Glauben bedeutet hätte oder was durch den christlichen Glauben verboten ist, oder unter den gegebenen Umständen nicht erlaubt war, oder weil er etwas tat, was durch die christliche Religion geboten, aber durch ungerechte Gesetze verboten war. Der Nachweis ist für jeden Märtyrer einzeln zu erbringen, es sei denn, daß sie zusammen die in der gleichen Verfolgung und am selben Ort das Martyrium erlitten haben.[29]

Ist die Petition von der zuständigen kirchlichen Autorität zugelassen, dann hat der
Antragsteller, diesen Prozess nach Recht und Gesetz zu führen und ihn zum
Abschluß zu bringen. Einer der Kardinäle der Kongregation wird vom Papst als Relator (Berichterstatter) bestellt. Er hat die Aufgabe, die ihm anvertraute Sache gründlich zu studieren und der Kongregation alles vorzutragen, was zu Gunsten oder auch zu Ungunsten derselben zu sprechen scheint.

Zur Wahrung des Rechtes in allen Stufen des Prozesses wird ein promotor fidei
(Glaubensanwalt) bestellt. Er muß alle historischen Fakten nüchtern zusammentragen, die geeignet sind die Wahrheit der vom Postulator vorgelegten Punkte herauszufinden, und diese den Richtern wahrheitsgemäß vortragen.
Außerdem ist es seine Aufgabe, Zeugen zu laden und berechtigte Einsprüche zuzulassen. Allerdings kann der Richter auch ohne die Einwilligung des Glaubensanwaltes Zeugen von sich aus berufen.

Zu jedem Prozess ist ein Notar oder Actuarius zu bestellen, nur in Ausnahmefällen
darf dies ein Ordensgeistlicher sein. Diesem kann ein Gehilfe oder Adjunkt zur
Seite stehen um Abschriften von Originalakten zusammenzutragen und Dokumente aus Bibliotheken, Archiven etc. zu besorgen. Alle diese Personen müssen Priester von tadellosem Ruf und über jeden Zweifel erhaben sein. Der cancellarius sollte sich im kanonischen Recht besonders ausgezeichnet haben, ebenso die Advokaten und Prokuratoren (Licentiat in Kirchenrecht und Theologie).

Die Beweise müssen vollständig und aussagekräftig sein. Es sind keine anderen zuzulassen als jene, die durch Zeugen und durch Dokumente belegt sind. Um nachzuweisen, daß es keinen Kult des Dieners Gottes gegeben habe, sind wenigstens vier Zeugen notwendig.

Zum Nachweis des Rufes der Tugenden, des Martyriums und der Wunder sind wenigstens acht Zeugen erforderlich, deren Aussagen sich gegenseitig stützen. Hierzu sind außerdem wenigstens zwei Zeugen von Amts wegen zu berufen.

Zum Beweis der Tugenden oder des Martyriums sind Augen- und Ohrenzeugen erforderlich. Historische Aufzeichnungen können lediglich zur Unterstützung herangezogen werden. Sollten im Apostolischen Prozess Zeugen aus zweiter Hand und im Informativprozess Augenzeugen vorhanden sein, so können diese in einer Beweisführung zusammengeführt werden.

Can. 2021: Ein Kultus immemorabilis muß durch authentische Dokumente belegt werden, die der Konstitution Urbans aus dem Jahre 1634 hundert Jahre vorausgehen. und hinsichtlich der Fakten eine ununterbrochene Tradition beinhalten.

Exkurs: Die Frage der Wunder

Die Dekretalien Gregors IX. sind jedoch nicht nur für die Gesetzgebung von Bedeutung, sondern auch für die Frage der Wunder. Im Kommentar zum Kapitel Audivimus dieser Dekretalien verlangt Innozenz IV. (1243-1254) für die Kanonisation die Prüfung des Glaubens, des herausragenden Lebens und der Wunder.[30] Dabei müssten das herausragende Leben und die Wunder die (bekannten) Kräfte der Natur übersteigen. Nach Innozenz IV. genüge für die Kanonisation zwar die Kenntnis des Lebens des Dieners Gottes, doch sollte die Kirche eine solche Kanonisation dennoch von Wundern abhängig machen, weil das Leben des Betreffenden insgeheim weniger tugendhaft verlaufen sein könnte als aus den Zeugenaussagen hervorgeht.[31]

Dies blieb jahrhundertelang die Lehre der Theologen und Kanonisten sowie die Praxis des Hl. Stuhles. Auch Benedikt XIV. (1740–1758), dessen umfangreiches Werk De Servorum Dei Beatificatione et Beatorum Canonizatione[32] die bis heute umfassendste Darlegung des Themas darstellt, betont die Notwendigkeit des Wunders. Er hält es zwar für möglich, hinsichtlich des Martyriums oder der heroischen Tugenden eines Dieners Gottes zu einem positiven Urteil zu gelangen, sieht jedoch für die Selig- und Heiligsprechung - auch im Hinblick auf die Märtyrer - Wunder als unverzichtbaren Beweis der Einwirkung Gottes an. Zum einen könnte das Leben von Nichtmärtyrern viel „laxer“ verlaufen sein als aus den Zeugenaussagen hervorgeht. Zum andern könnte es bei Märtyrern durchaus der Fall sein, dass jemand, der laut Zeugenaussagen für Christus den Tod auf sich nahm, innerlich so manchen Akt des Hochmuts oder der Ungeduld gesetzt hat; oder dass derjenige, der für den Tod verantwortlich ist, in Wahrheit nicht aus Glaubenshass gehandelt hat: dies mache verständlich, weshalb zur Ausschaltung solcher Gefahren Wunder erforderlich sind, zumal Gott solche niemals auf die Fürbitte jener wirke, die ihr Leben nicht aus lauterer Absicht hingeben. Dabei beruft er sich auf Thomas von Aquin, demzufolge Gott Wunder nur zum Wohle der Menschen wirke, und zwar in zweifacher Hinsicht: a) zur Bestätigung der verkündeten Lehre und b) zum Beweis der Heiligkeit von jemandem zu seinen Lebzeiten oder nach seinem Tod.[33]

Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die von Benedikt XIV. erstellten Kriterien zur Beurteilung der Wunderheilungen:

  1. Die Krankheit muss schwer und ihre Heilung nach dem Urteil von Fachärzten extrem schwierig bis unmöglich sein.[34]
  2. Die Krankheit darf sich nicht schon kurz vor dem Abklingen befinden.[35] Es spricht jedoch keineswegs gegen ein Wunder, wenn die Krankheit auf die übliche Weise mit Medikamenten oder anderen ärztlichen Mitteln behandelt werden könnte, diese Mittel dort aber fehlen, wo sich das Wunder ereignet.[36]
  3. Es dürfen keine Medikamente verabreicht worden sein, die eine solche Krankheit heilen könnten. Es muss ferner sicher sein, dass sich die eventuell verwendeten Medikamente als unwirksam erwiesen.[37]
  4. Die Heilung muss plötzlich erfolgen.[38]
  5. Die Heilung muss vollständig sein.[39] Es dürfen lediglich harmlose Folgeerscheinungen zurückbleiben, etwa eine Narbe.[40]
  6. Der Heilung darf keine Krise vorausgegangen sein.[41] Nach Galenus könne die Natur eine Heilung nämlich auf dreifache Weise bewirken: durch Dekubitus, durch Krise und durch einfache Remission.[42]
  7. Die Heilung muss sich als stabil und dauerhaft erweisen.[43]

Diese Kriterien sind grundsätzlicher Natur und gelten daher auch heute noch, insbesondere die Kriterien plötzlich, vollständig und dauerhaft. Sie schlugen sich mithin auch im Codex Iuris Canonici von 1917 nieder, der das Kanonisationsverfahren in Can. 1999–2141 behandelt,[44] wobei in Can. 2116 §1 die Notwendigkeit von Wundern betont wird:

„Damit jemand seliggesprochen werden kann, sind außer der Tugendübung im heroischen Grade bzw. außer dem Martyrium noch Wunder notwendig, die von Gott auf die Fürbitte des Diener Gottes gewirkt wurden.“[45]

Dabei waren nach der Gesetzgebung von 1917 für die Seligsprechung zwei Wunder (in bestimmten Fällen auch drei oder vier, vgl. Can. 2117) erforderlich. Für die Heiligsprechung (Can. 2138) wurden nach der formalen Seligsprechung zwei und bei Seligen, die aequipollenter (gleichwertig) seliggesprochen wurden, drei Wunder verlangt. Bei den Märtyrern, deren Martyrium außer Zweifel stand, wich man hingegen von der Forderung Benedikts XIV. ab, indem man keine Wunder verlangte:

„Handelt es sich aber um die Seligsprechung eines Märtyrers und ist sein Martyrium wie auch dessen Ursache materiell und formell vollkommen sicher, so wird es der Ritenkongregation überlassen, zu entscheiden, ob nicht auch schon Zeichen genügen, wenn keine Wunder vorliegen“[46] (Can. 2116 § 2).

Von 1975 an begann man zunächst von einem zweiten Wunder für die Seligsprechung abzusehen, in der Folge dann auch für die Heiligsprechung.

3. Die Wirkungen einer Heiligsprechung sind

Der Heilige ist in der ganzen Kirche als solcher anzuerkennen. Die Heiligen dürfen in den öffentlichen Gebeten der Kirche, bei der hl. Messe, beim Breviergebet, bei Prozessionen erwähnt und angerufen werden. Auf ihren Namen dürfen Altäre, Kirchen und Kapellen geweiht werden. Zu ihrer Ehre darf das hl. Meßopfer und das Stundengebet gefeiert werden. Bei manchen Kanonisierten ist die liturgische Feier nur für einen teil der Kirche vorgeschrieben. Das Fest des Heiligen wird in das Kirchenjahr aufgenommen. die Feier wird meistens auf den Todestag (dies natalis für den Himmel) gelegt, und die Bilder des Heiligen dürfen den Heiligenschein (Nimbus) tragen. Die Reliquien dürfen zur öffentlichen Verehrung ausgestellt und in Prozessionen getragen werden.

Das Einzige, was die Kirche über die Verehrung der Heiligen lehrt, ist, daß „es gut und nützlich ist, die Heiligen, die mit Christus herrschen und Gott ihre Gebete für die Menschen darbringen, anzurufen und Zuflucht zu nehmen zu ihren Gebeten, ihrer Macht und Hilfe, um Wohltaten von Gott durch seinen Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, zu erlangen, welcher ist unser einziger Erlöser und Seligmacher.[47]

Die Kirche lehrt nicht, daß die Heiligen angerufen werden müssen, sondern nur, daß es gut und nützlich sei, sie anzurufen. „Wir ehren die Diener“, sagt Papst Johann XV., „damit die Ehre auf den Herrn zurückfällt“[48]

4. Wie können wir in der Ökumene damit umgehen?

In seinem bemerkenswerten Aufsatz über „Märtyrer und Märtyrerinnen nach evangelischem Verständnis“[49] zeigt Wolf-Dieter Hauschild die Problematik auf mit der wir in der Ökumene konfrontiert sind:

1. Der Begriff Märtyrer ist nach Meinung vieler Protestanten „so katholisch, daß ein evangelischer Umgang mit diesem Thema sich im Grunde erübrige.“ Man ersetzt den angeblich antiquierten Begriff mit: Glaubenszeugen, Christuszeugen, Zeugen einer besseren Welt, Widerstandskämpfer etc.

2. Das Thema hat keinen essentiellen Bezug, keine entsprechenden Frömmigkeitsformen im alltäglichen wie im gottesdienstlichen Leben der evangelischen Kirche.

3. Es ist lehrmäßig nicht geklärt, was ein Märtyrer ist. Das hängt damit zusammen, daß dem Protestantismus „die theologische, religiöse und institutionelle Einheit fehlt.“

4. Auch der Begriff evangelisch ist nicht eindeutig. Er umfaßt ja nicht nur die Lutheraner, Reformierte und Unierte (mitsamt den Freikirchen), sondern auch Methodisten und Baptisten, Mennoniten und Quäker u.s.w, und was bedeutet es für die evgl. Ökumene, wenn man die Anglikaner mit einbezieht?

5. Märtyrer nach evang. Verständnis sind auch diejenigen Glaubenszeugen, die von der katholischen und der orthodoxen Kirche als solche verehrt werden. Es sind aber offensichtlich keine evangelischen Märtyrer. Was aber ist mit den Märtyrern, die ihren Status durch konfessionelle Einwirkungen erlangt haben?

“Ein ökumenisches Verständnis von Märtyrertum wird zwar heute gerne beschworen, und es läßt sich vielleicht realisieren und konkretisieren im Blick auf die Blutzeugen der nichtchristlichen Gewaltherrschaften im 20. Jahrhundert. Doch die härteste Nuß ist zu knacken nicht im Blick auf unsere gemeinsame Opfergeschichte sondern hinsichtlich unserer jeweiligen Tätergeschichte.“

6. Der Protestantismus besitzt keine festgefügte Erinnerungsstruktur im Blick auf seine Märtyrer und Heiligen.

  •  
    • Ansätze in Kirchenordnungen und Heiligenbüchern des 16. Jahrhunderts sind spätestens im 18. Jahrhundert verschwunden.
    • Es gibt keine rechtlich fixierten Kriterien für eine normative Entscheidung.
    • Es gibt keine offiziell approbierten Martyrologien.
    • Es gibt keine Entscheidungsinstanzen. – Dennoch aber gibt es schon dauerhafte Entscheidungen etwa bei der Benennung von Kirchen und kirchlichen Gebäuden und Einrichtungen. (Lutherkirche, Bugenhagen, Bonhoeffer etc.

Hauschild weist nun anhand biblischer Texte nach, daß sich darin „wesentliche Elemente einer evangelischen Sicht finden, weil sie sich grundlegend auf Person und Geschichte Jesu Christi als des alleinigen Heilsbringers zwischen Gott und den Menschen bezieht.[50]

„Auch die religiöse, politische und gesellschaftliche Nonkonformität der Lebensart von Minderheiten, die zu deren gewaltsamer Beseitigung führt (zumeist partiell, nicht total) ist im theologischen Sinne ein Martyrium, ein praktisches Christuszeugnis. Hauschild kommt zu dem Schluß: „Wenn man sich bei der Kriteriologie für ein evangelisches Märtyrerverständnis nicht allein an einer selbsttätig-produktiven protestantischen Deutung der Realität orientiert, sondern auch die Hl. Schrift und die Bekenntnisschriften berücksichtigt oder gar deren Aussagen normativ nimmt, dann ist es nicht unerheblich zu konstatieren, daß die biblisch-altkirchliche und die evangelisch-reformatorische Sicht in den Grundzügen übereinstimmen.“ Er faßt die wesentlichen Aspekte zusammen:

  • Märtyrer/Märtyrerinnen als getötete „Christen/Christinnen“ stehen in einem fundamentalen Bezug zum gekreuzigten Jesus, dem Christus. Sie leben und sterben in dessen Nachfolge, aber dabei gibt es keine kategoriale Differenz in soteriologischer Sicht. Das Leiden als generelle Signatur der christlichen Existenz prägt auch die Bekenner/Konfessoren.
  • Märtyrer/Märtyrerinnen sind nicht nur die Verkünder des Evangeliums, sondern auch die normalen Gemeindeglieder als Opfer von Gewaltakten. Charakteristisch dafür ist der religiös motivierte Konflikt mit der Umwelt.
  • Märtyrer/Märtyrerinnen sind einerseits Wortzeugen in der Bezeugung des Christusbekenntnisses bzw. der Wahrheit Gottes, anderseits die Tatzeugen der göttlichen Gerechtigkeit bzw. der Gebote Gottes.
  • Märtyrer/Märtyrerinnen werden in der Kirche besonders geehrt aber nicht wie Jesus Christus verehrt. Ihr Schicksal bleibt im Gedenken der Kirche (memoria) präsent als Zeugnis der Gnade Gottes, als Vorbild des Glaubens und als Erinnerung an die Verpflichtung aller Christenmenschen. Einzelne Namen können dabei als repräsentativ stehen für größere Gruppen in spezifischen Situationen.

5. Schluß

Im Angesicht des Todes „unserer“ Lübecker Geistlichen hat Konfessionalität keine Rolle gespielt. Es ist der eine Herr, dem sie gedient und für den sie ihr Leben hingegeben haben. Eine Verehrung als Selige oder Heilige nimmt dem Herrn nichts, der „verherrlicht ist in seinen Heiligen“. Als „communio sanctorum“ bildet die Kirche auf Erden eine Einheit mit der Kirche des Himmels. Die Anrufung der Heiligen um ihre Fürsprache bei Gott entspricht durchaus dem sakramentalen Handeln Christi auf Erden. Er nimmt Menschen in seinen Dienst und gebraucht Zeichen, wirkt mittelbar, obgleich er unmittelbar wirken könnte:

  • „Gebt ihr ihnen zu essen.“
  • „Geht und verkündet das Evangelium.“ (in die Städte, in die auch er kommen wollte)
  • „Gehet hin in alle Welt.“
  • „Empfanget den heiligen Geist.“ (Sündenvergebung)
  • „Klopfet an, und es wird euch aufgetan.“

Im Falle einer Seligsprechung der katholischen Geistlichen wird der evangelische Pastor Stellbrink nicht von den Katholiken „vereinnahmt“. Der Papst wird, wie bei allen solchen Gelegenheiten wo Personen unterschiedlichen Bekenntnisses ein gemeinsames Martyrium erlitten haben, der anderen selbstverständlich gedenken. Gemeinsam gehören sie zur una sancta ecclesia, der alle angehören die in Christus vollendet sind.

Eingedenk des Wortes der Bergpredigt: „Selig sind die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich“, ehren wir im Martyrium der Lübecker Geistlichen, unseren Herrn Jesus Christus, der sie befähigt hat, gegenüber einem unmenschlichen und unchristlichen Regime standhaft ihren Glauben zu bezeugen.


[1] vgl. Joseph Schäfer, Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich, Hamburg 1946, S.109–111
[2] Ebd., S. 96–98
[3] Introitus zum Kirchweihfest
[4] Plautus, Asinaria
[5] Joh 6, 37–40: Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Denn ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. Das ist aber der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, daß ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern daß ich es auferwecke am letzten Tage. Denn das ist der Wille meines Vaters, daß jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, ewiges Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage.
[6] 1 Joh 4–5: Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?
[7] E. W. Kemp: Canonisation and Authority in the Western Church (1948) S.55; Delahaye: Sanctus, S.187
[8] F. X. Bischof, Die Kanonisation des Bischof Ulrich auf der Lateransynode des Jahres 993, in: Bischof Ulrich von Augsburg 890-973 (1993) S. 197-222.
[9] Bruno W. Häuptli in BBKL Bd. XXIII (2004); Fest am 26.7.; L. Porsi, Collectio legum ecclesiae de beatificatione, in: Monitor Ecclesiasticus, 110 (1985) S. 347
[10] Papst Alexander III. betont in einem zwischen 1171 und 1172 zu datierenden Schreiben an König Kol von Schweden in bezug auf den Lokalkult. „Etiamsi signa et miracula per eum plurima fierent, non liceret vobis pro sancto absque auctoritate Romanae Ecclesiae eum publice venerari.“ (Wenngleich auch viele Zeichen und Wunder durch ihn geschehen sollten, ist es euch nicht erlaubt, ihn ohne die Autorität der römischen Kirche als Heiligen öffentlich zu verehren); vgl. St. Kuttner: La réserve papale (1938), S. 211 - 220.
[11] J. Schlafke, De Competentia in causis sanctorum descernendi a primis post Christum natum saeculis usque ad annum 1234 (1961) S. 63-145
[12] Decreta Ssmae Inquisitionis vom 13.März und 2. Oktober 1652, im Besonderen bestätigt durch das Breve Caelestis Hierusalem cives vom 5. Juli 1634. Siehe in Urbani VIII Pontificis Optimi Maximi Decreta servanda in Canonizatione et Beatificatione Sanctorum. Accedunt instructiones, et Declarationes quas Ern.mi S.R.E. Cardinales Praesulesque Romanae Curiae ad id congregati ex eiusdem Summi Pontificis mandato condiderunt. - Romae, Ex Typographia Rev. Cam. Apost. MDCXLIL.
[13] Die definitive Gesetzgebung Urbans VIll. ist in der oben zitierten Sammlung, Anm. 3, enthalten; sie wurde vom Papst approbiert und am 12. März 1642 veröffentlicht.
[14] Vgl. Frieder Schulz; Heilige/Heiligenverehrung, Die protestantischen Kirchen, in: Theologische Realenzyklopädie, Berlin 1985, Bd. XIV, S.664-672
[15] Deutsche Schriften I, Gütersloh 1960, 262-268
[16] WA 2, 743; 750; 6, 97, 131
[17] WA 50,210, 1-8
[18] Lansemann 101-103, 196-201
[19] WA 38, 313,10-314,6
[20] Schulz S. 665
[21] Lib.II Pars II, Art. X. Cap.1, Jena 1636, S.542 (im Original lateinisch)
[22] Haus- Schul- und Kirchenbuch T.2, Stuttgart 1859, S.45-51
[23] Die christliche Wahrheit, Gütersloh 1948
[24] Schulz S. 667-669
[25] Schulz S. 669
[26] BBKL, Band XVI (1999) Spalten 1139-1140 Autor: Ekkart Sauser
[27] Christian Hannik, Heilige, Heiligsprechung, Die orthodoxe Kirche, in: Theol. Realenzyklopädie; Bd. XIV; Berlin 1985
[28] Vgl. Schamoni, Das wahre Gesicht der Heiligen, 3.Aufl., München 1950, S. 28f
[29] CIC Can. 2001 §1
[30] Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi): Commentaria super libros quinque Decretalium cum Indice peculiari... novisque in super Summariis additis, unveränderter Nachdruck der Ausgabe von Frankfurt 1570 (1968), S. 457: „Canonizare est sanctos canonice et regulariter statuere, quod aliquis sanctus honoretur pro sancto, puta solenne officium pro eo facere, sicut fit pro allis sanctis, qui sunt eiusdem conditionis, ... Et fit regulariter haec canonizatio quando per probationes constat de fide, & excellentia vitae, & miraculis eius qui petitur canonizari, ... Et oportet tantam esse excellentiam vitae, & talia esse miracula, quae sint ultra vires & potentem naturae. Item non debet esse unica tantum excellentia vitae, imo oportet esse multas & continuas, ...“
[31] „Et fit regulariter haec canonizatio, quando per probationes constat de fide et excellentia vitae et miraculis eius, qui petitur canonizari.... Et oportet tantam esse excellentiam vitae, et talia esse miracula, quod sint ultra vires et potentiam naturae... Vitam tamen sine miraculis crederem sufficere quoad virtutem, tamen ecclesia non debet tales canonizare propter hoc: quia in secreto potuerunt laxiorem vitam ducere“. Innozenz IV. in: Quinque libros Decretalium commentaria (1578), Bl. 188r.
[32] Benedictus XIV.: De Lambertinus Opus De Servorum Dei Beatificatione et Beatorum Canonizatione, in septem volumina distributum. Editio novissima ad postremam remondinianam exacta. - Prati, MDCCCXXXIX f.
[33] „Fieri potest, ut, haud obstantibus dictis testium, mortem sustinentes pro Christo aliquem interiorem actum vanae gloriae, vel impatientiae pepererint, aut ut morte inferentes odium quidem Christianae Religionis praesetulerint, sed ex alia causa ad inferendam fuerint inducti: in quo rerum statu unusquisque dignoscere potest, non sine ratione miracula requiri, ut exposita pericula exeludantur; ea semper recurrente firma spe, Deum non esse miracula patraturum intercessione eorum, qui integrum et purum propriae vitae sacrificium eidem non obtulerint; iuxta illud D. Thomae 2. 2. quest. 178, art. 2:,Operatur enim ea (miracula) Deus ad hominum utilitatem, et hoc dupliciter: uno quidem modo ad veritatis praedicatae confirmationem; alio modo ad demonstrationem sanctitatis alicuius... Secundo autem modo non fiunt miracula nisi a Sanctis ad quorum sanctitatem denuntiandam miracula fiunt vel in vita eorum, vel etiam post mortem', Benedictus XIV, lib. 1, cap. 30, num. 10, S. 195.
[34] Benedictus XIV.: De Lambertinus Opus De Servorum Dei Beatificatione et Beatorum Canonizatione, in septem volumina distributum. Editio novissima ad postremam remondinianam exacta. Tomus IV. - Prati MDCCCXLI, cap. VIII, 3-5; S. 88: „Dictum, morbum debere esse gravem, et vel impossibilem, vel curatu dificilem, ut sanatio miraculo sit adscribenda ...“
[35] Ebd., cap. VIII, 6. S. 90: „Quod attinet ad secundum, ut videlicet morbus non sit in ultima parte status, ita ut non multa post deelinare debeat, ... „
[36] Ebd., cap. VIII, 6-7, S. 90. 
[37] Ebd., cap. VIII, 8. S. 90 - 91: „Posita applicatione medicamentorum, pro regula statui potest, in judicio ferendo, sanationem non miraculo, se viribus medicamentorum esse adscribendam; dummodo tamen medicamenta fuerint apta et potuierint proficere....“; vgl. cap. VIII, 9-11, S. 91 - 93.
[38] Ebd., cap. VIII, 12. s. 93: „Succedit quartum requisitum, ut sanatio videlicet subita sit, et fiat in istanti...“, vgl. cap. VIII, 12-18, S. 93 - 97.
[39] Ebd., cap. VIII, 19. S. 97: „videlicet ut sanatio miraculo adscribatur, debet etiam esse perfecta, non manca, aut concisa“.
[40] Ebd., cap.VIII, 19-25, S. 97 - 102.
[41] Ebd., cap. VIII, 26. S. 102: „Sextum itaque requisitum est, ut nulla notatu digna evacuatio, seu crisis praecedat cum causa“.
[42] Ebd., cap. VIII, 27. S. 102: Juxta Galenum in 3. de crisibus, triplici modo potest natura santitatem inducere, per decubitum, per crisim, et per simplicem solutionem.“ Mit decubitus wird die Absonderung schädlicher Säfte von vornehmen Teilen in die nicht vornehmen wie Knie, Füße bezeichnet (“Decubitus est depositio humoris peccantis a parte nobili ad ignobilem“); crisis besagt die plötzliche und rasche Änderung der Krankheit (Crisis ab eodem definitur 3. aphor. 13. Subita ac repertina in morbo mutatio).
[43] Ebd., cap. VIII, 31. S. 103: „Quod attinet ad ultimum, ne scilicet morbus sublatus redeat... Sufficit ergo, quod sanitas fuerit verosimiliter duratura“; vgl. cap. Viii, 29-36. 
[44] Codex iuris Canonici Pii X Pontificis iussu digestus Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus (1919).
[45] Heribert Jone: Gesetzbuch der Lateinischen Kirche: Erklärung der Kanones. III. Band: Prozess- und Strafrecht, Kanon 1552-2414 (1953), S. 392.
[46] Ders., ebd. - Die Ritenkongregation war bis 8. Mai 1969 für die Kanonisationsverfahren zuständig, wo durch die Apostolische Konstitution „Sacra Rituum Congregatio“, Acta Apostolicae Sedis 61 (1969), S. 297 - 305, anstelle der Ritenkongregation zwei neue Dikasterien errichtet wurden: die Kultuskongregation und diebHeiligsprechungskongregation.
[47] Konzil von Trient, Denzinger, Enchiridion Symbolorum Nr. 984
[48] Heiligsprechung Ulrichs v. Augsburg, Denzinger Nr. 342
[49] Wolf-Dieter Hauschild, „Märtyrer/Märtyrerinnen nach evangelischem Verständnis“ in: Mitteilungen der evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte, Heft 21/2003, S.1-24
[50] Hauschild, S.10f

 

Info


Monsignore Peter Schmidt-Eppendorf, Gründer des Verein für katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein, hielt den Vortrag am 18. März 2004 im Burgkloster Lübeck mit ausführlicher Beschreibung von Heiligenverehrung in geschichtlichem und ökumenischem Kontext.

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