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Erzbischof Dr. Thissen und Pastorin Maase im Pressegespräch

zehn Tage vor der Seligsprechung, am 15. Juni 2011

In einem Pressegespräch zehn Tage vor der Seligsprechung hat der Hamburger Erzbischof Werner Thissen besonders den ökumenischen Aspekt der Vorbereitung und der Seligsprechung gewürdigt. Constanze Maase, Pastorin an der Lübecker Lutherkirche, formulierte einen „evangelischen Blick“ auf den Prozess.

Statement von Erzbischof Dr. Werner Thissen

Im März 2004 habe ich den Prozess der Seligsprechung der drei Lübecker Kapläne Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek auf der Ebene des Erzbistums Hamburg in Gang gesetzt. Damit habe ich das aufgenommen, was in Lübeck bereits seit über 60 Jahren lebendig ist. Gleich nach der Ermordung der Kapläne und des evangelischen Pastors Karl Friedrich Stellbrink hat in der katholischen Gemeinde in Lübeck das Gedenken an die vier Geistlichen eingesetzt. Die Seligsprechung soll dies nun noch stärker in ganz Norddeutschland verankern.

Adolf Ehrtmann war einer der 18 Laien, die zusammen mit den vier Geistlichen verhaftet worden sind. Von ihm ist der Satz überliefert: „Sag niemals drei; sag immer vier!“ Für den Katholiken Ehrtmann war es selbstverständlich, dass das Gedenken sich nicht auf die drei katholischen Kapläne beschränken darf. Dieser Satz ist auch für mich persönlich Vermächtnis und Auftrag geworden. Die Seligsprechung der drei Kapläne soll und wird das gemeinsame Gedenken der vier Märtyrer weiter fördern. 

Mir liegt sehr daran, dass wir dieses Fest in guter ökumenischer Gemeinsamkeit begehen. Deshalb war mein erster Weg zur damals zuständigen Bischöfin Wartenberg-Potter. Gemeinsam haben wir einen ökumenischen Arbeitskreis eingerichtet, den Bischof Kohlwage geleitet hat. Denn wir müssen berücksichtigen: Die evangelische Kirche kennt keine Seligsprechung. Aber die evangelische Kirche kennt ein ehrendes Gedenken. 

Seligsprechung und ehrendes Gedenken liegen in der heutigen theologischen Sicht unserer Kirchen längst nicht mehr so weit auseinander wie früher. In einer Seligsprechung werden Glaubenszeugen als Vorbilder herausgestellt, deren Leben und Sterben beispielhaften Charakter haben. Das heißt nicht, dass sie im Leben alles richtig gemacht hätten. Aber es bedeutet, dass sie ihren Glauben so konsequent gelebt haben, dass sie dafür in den Tod gegangen sind. 

Wir werden katholische Seligsprechung und evangelisches Gedenken gut miteinander verbinden. Papst Benedikt hat im vergangenen Jahr beim Empfang des neuen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Vatikan die vier Lübecker Märtyrer erwähnt. Er sagte: „Die bezeugte Freundschaft der vier Geistlichen im Gefängnis ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Ökumene des Gebets und des Leidens.“ 

Das verbindende Gedenken werden wir so gestalten: Am 24. Juni abends wird es einen festlichen Gottesdienst in der Lutherkirche geben. Am 25. Juni vormittags findet dann vor der Herz Jesu Kirche in Lübeck der Gottesdienst zur Seligsprechung statt. In beiden Feiern wird immer aller vier Lübecker Märtyrer gedacht werden. 

Für beide Gottesdienste habe ich Kardinal Walter Kasper aus Rom um seine Mitwirkung gebeten. Die Teilnahme des langjährigen Ökumenebeauftragten des Papstes verstärkt den ökumenischen Akzent der Feiern. 

Das gemeinsame Martyrium von vier Geistlichen aus unseren beiden Kirchen zur selben Stunde und am selben Ort ist ein einmaliges und einzigartiges Ereignis. Es ist ein gemeinsames Glaubensbekenntnis, das die vier Märtyrer in ökumenischer Gemeinsamkeit mit ihrem Blut besiegelt haben. Meine Hoffnung ist, dass das gemeinsame Gedenken an das gemeinsame Martyrium dieser vier Glaubenszeugen auch unsere beiden Kirchen zu noch mehr Gemeinsamkeit führen kann.

Statement von Pastorin Constanze Maase

„Sag niemals drei, sag immer vier...“ Grundlage für ein Ökumenisches Gedenken

Heute sprechen wir von den „vier Lübecker Märtyrern“ und in diesen Wochen vor der Seligsprechung sind sie weit über Lübeck hinaus in vieler Munde. Einer von Ihnen aber wird nicht selig gesprochen. 

Pastor Karl Friedrich Stellbrink, geboren 1894 und damit mehr als 15 Jahre älter als die katholischen Kapläne. Verwundet im 1. Weltkrieg. Seine Ausbildung erhielt er an einem Institut für Auslandsprediger. Nach einer Zeit als Pastor in Brasilien und Thüringen kam der Ehemann und Familienvater an die Lutherkirche zu Lübeck. Damals war Stellbrink Mitglied der NSDAP (1933–1937). Es dauerte viele Jahre, bis er einen sichtbaren Sinneswandel vollzog und sich gegen das damalige Regime stark machte. Die heutige Kirchengemeinde Luther-Melanchthon war Lebens- und Arbeitsort für Pastor Stellbrink in der Zeit von 1934–1942. Nur wenige Tage nach der Predigt am Sonntag Palmarum 1942, am Morgen nach der Bombennacht über Lübeck, wurde Stellbrink verhaftet. Am 10. November 1943 wurde er gemeinsam mit den drei Geistlichen Hermann Lange, Johannes Prassek und Eduard Müller hingerichtet. 

Pastor Stellbrink war evangelischer Pastor, den mitten im Krieg eine Freundschaft verband mit katholischen Geistlichen. In einer Zeit, in der von Ökumene noch lange nicht die Rede war, überwanden sie konfessionelle Grenzen und gingen gemeinsam in ihr Martyrium. 

Die Unterschiedlichkeit der Vier und dann doch der gemeinsame Weg der Lübecker Geistlichen bringt es mit sich, dass es sichtbar auch einen evangelischen Blick auf den katholischen Ritus der Seligsprechung gibt. 

Evangelischer Blick auf einen katholischen Ritus

Seit der Ankündigung der bevorstehenden Seligsprechung hat es viele lebendige und auch kontroverse Diskussionen in der evangelischen Kirche gegeben, besonders wohl in Lübeck. Es ist eine spannende Auseinandersetzung mit dem Umgang von Vorbildern im Glauben. Pastor Stellbrink hat durch seinen Widerstand und durch seinen Tod ohne Zweifel ein mutiges Zeugnis seines Glaubens abgelegt, besonders, da er ja auch eine Familie hatte, die er innig liebte. Das bezeugt nicht zuletzt sein Abschiedsbrief.

Einen Ritus der Seligsprechung kennt die Evangelische Kirche aber nicht. Das heißt nicht, dass sie nicht glauben mag, dass Menschen selig sein können. Wir bekennen ja, dass wir an die Gemeinschaft der Heiligen glauben und wir erkennen gelebten Glauben auch und gerade in gebrochenen oder ambivalenten Lebensgeschichten. Dennoch beziehen wir uns im Glauben und in der Anbetung allein auf Christus. 

Was macht die evangelische Kirche mit Pastor Stellbrink?

„Was macht nun die evangelische Kirche für Pastor Stellbrink?“, werde ich in dieser Zeit oft gefragt. 

Würdigung des ökumenischen Arbeitskreises 10. November

Dazu möchte ich den Blick zunächst auf den ökumenischen Arbeitskreis 10. November lenken: Bald nach der Hinrichtung der vier Geistlichen kam eine Gruppe Gemeindeglieder der katholischen Herz Jesu-Gemeinde zusammen, um der Geistlichen zu gedenken. Dabei haben Sie Pastor Stellbrink von Anfang an mit einbezogen. Es ist also auch ein Verdienst der Katholischen Kirche, für dass wir heute noch sehr dankbar sein können, dass die Erinnerung an ihr Martyrium wach gehalten wurde. Der mit gefangene Laie Adolf Ehrtmann hat dazu auf seinem Sterbebett gesagt: „Sag niemals drei, sag immer vier.“

Dieser Satz hat prophetische Kraft und sicher hat er das Seine dazu beigetragen, dass Stellbrink nie vergessen wurde. Inzwischen ist der Arbeitskreis 10. November seit vielen Jahren ökumenisch besetzt. Er ist auch ein Stück Identität der Lutherkirche und hat darüber hinaus Bedeutung für den Kirchenkreis und für die Nordelbische Kirche. 

„Lösch mir die Augen aus“ Dauerausstellung in der Lutherkirche

Sichtbar ist das ökumenische Gedenken in der Dauerausstellung zu den Lübecker Märtyrern in der Lutherkirche, die regelmäßig von Schulklassen und interessierten Gemeindegruppen beider Konfession besucht wird. In diese Ausstellung laden wir in diesen Tagen besonders herzlich ein. 

„Unterwegs zu den Lübecker Märtyrern“ Ein neuer Gedenkweg

Sichtbar wird das ökumenische Gedenken auch am 17. Juni 2011, wenn wir einen Gedenkweg der Öffentlichkeit übergeben werden. Auch diesen Gedenkweg, der mit Hilfe eines Flyers zu vier erinnerungsreichen Stätten der Lübecker Märtyrer führt, ist initiiert vom ökumenischen Arbeitskreis. Er heißt: „Unterwegs zu den Lübecker Märtyrern. Gedenken begehen-Gedenken erfahren.“ 

„Widerstehen im Geiste Christi“ Neuer Film über die Lübecker Märtyrer

Der ev. Luth. Kirchenkreis Lübeck – Lauenburg hatte zudem einen neuen Dokumentarfilm über die Lübecker Märtyrer in Auftrag gegeben. Jürgen Hobrecht, Berlin, hat ihn produziert. Er ist gerade vor wenigen Wochen in der Lutherkirche vor über 400 Zuschauern uraufgeführt worden. 

Gedenkgottesdienst am Vorabend der Seligsprechung

Am 24. Juni laden der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und die Kirchengemeinde Luther-Melanchthon gemeinsam zu einem ev. Gedenkgottesdienst in die Lutherkirche an der Moislinger Allee 96 ein.

Thema im Gottesdienst wird nicht allein Pastor Karl Friedrich Stellbrink sein, sondern das gemeinsame Gedenken der vier Lübecker Märtyrer. Der Satz „Sag niemals drei, sag immer vier“ ist uns dabei ein wichtiger Leitfaden. Im Zentrum des Gottesdienstes wird die Predigt Bischof Ulrichs stehen, sowie ein geistliches Wort von Kardinal Walter Kasper.

Die Teilnahme am Gottesdienst haben bereits viele evangelische und katholische Christen aus Lübeck und weit darüber hinaus angekündigt. Während des Gottesdienstes wird es sogar eine akustische Übertragung auf die angrenzende Lutherwiese geben, um möglichst vielen Menschen die Teilnahme am Gottesdienst zu ermöglichen. 

Teilnahme an der Seligsprechung

Die Anteilnahme an dem Ereignis der Seligsprechung ist auch im „evangelischen Lübeck“ nicht zu übersehen. Viele evangelische Christen haben sich bereits früh eine Karte im Dom oder auf der Parade für den 25. Juni gesichert.

Die besonderen ökumenischen Anteile im Gottesdienst werden eine Lesung durch die Pröpstin des Kirchenkreises, Petra Kallies sein, eine Fürbitte durch den Kirchenvorsteher der ev. Kirchengemeinde Luther-Melanchthon, Wolfgang Jarosch-Nauhaus, das Entzünden einer besonderen Kerze durch die noch lebende Tochter Stellbrinks, Waltraut Kienitz, und das geistliche Wort durch unseren Bischof Gerhard Ulrich. Auch werden alle vier Portraits der Märtyrer zu sehen sein.

Auch die Bereitstellung des evangelischen Lübecker Domes als Übertragungsort für die Seligsprechung und die Zurverfügungstellung der Domwiese für das anschließende Fest darf als freundliches Zeichen der Ökumene in Lübeck gewertet werden. 

Werden die 4 Lübecker Märtyrer nun durch die Seligsprechung der drei getrennt?

Ich vertraue auf die Stärke des Ehrtmannschen Satzes und die Menschen, die sich hier in Lübeck für die Ökumene und ein gemeinsames Gedenken seit Jahrzehnten stark machen.

Und ich glaube, die Feiern am 24. und 25. Juni werden auch durch die jeweiligen ökumenischen Akzente etwas ganz Besonderes werden. Viele Menschen erwarten das auch zu Recht von unseren Kirchen.

 

 

Info


In der Pressekonferenz am 15. Juni 2011 in Lübeck fassten Erzbischof Dr. Werner Thissen, Hamburg und Pastorin Constanze Maase, Lutherkirche Lübeck, ihre Sichtweisen auf die Seligsprechung zusammen.